Die Selektionskriterien vieler nachhaltiger Anlagestrategien sind exakt, transparent und nachvollziehbar. Aber sie sind unvollständig. Der Partisan setzt deshalb auf unscharfe Qualitäten.
Was nachhaltig ist und was nicht, hängt – so zeigt unser letzter Beitrag – von individuellen Präferenzen, von der persönlichen Weltanschauung und von der Interpretation komplexer Zusammenhänge ab. Aus dieser Perspektive ist zu begrüssen, dass viele „nachhaltige“ Anlagefonds ihren Investitionsentscheiden klar definierte, messbare Kriterien zugrunde legen. Das schafft Transparenz und ermöglicht es dem Anleger, gezielt das für ihn stimmige Produkt auszuwählen.
Pferdefüsse
Leider hat dieses streng methodische Vorgehen zwei Pferdefüsse. Zum einen lassen sich massgebende Faktoren wie etwa das Verantwortungsbewusstsein einer Unternehmensleitung kaum exakt definieren, geschweige denn messen. Aus diesem Grund werden wesentliche Gesichtspunkte vernachlässigt. Zum andern können sich relevante Kriterien aufgrund neuer Erkenntnisse oder aufgrund von Umbrüchen in der öffentlichen Wahrnehmung rasch und fundamental ändern. So galten Dieselmotoren dank ihres geringen Verbrauchs noch vor wenigen Jahren als vergleichsweise ökologisch. Heute werden sie wegen der Stickoxid-Belastung geächtet und mancherorts verboten. Vor Fukushima wurde die Kernkraft im deutschen Sprachraum zwar nie vollständig, aber als klimaneutrale Alternative zu fossiler Energie doch weitgehend akzeptiert.
Denkbar wären ähnliche Wendungen beispielsweise auch in der Akzeptanz von Photovoltaik oder batteriegetriebenen Autos. Ökologische und menschliche Aspekte bei der Gewinnung der verwendeten Rohstoffe, toxische Emissionen in der Produktion oder Entsorgungsprobleme könnten stärker in den Vordergrund rücken. Auch die aktuell vorherrschenden Vorstellungen, was gute Corporate Governance sei, sind nicht in Stein gemeisselt.
Die Gefahr ist gross, dass nachhaltige Produkte, die auf bestimmte Technologien, Produktionsmethoden, Standorte, Sektoren oder Organisationsformen setzen, der wissenschaftlichen Entwicklung und gesellschaftlichen Trends hinterherhinken statt vorauszugehen.
Der Partisan verzichtet auf enge, formale Nachhaltigkeitskriterien. Er legt den Fokus stattdessen auf allgemeinere, aber unscharfe Qualitäten. Nachhaltiges Wirtschaften ist in unserem Verständnis vor allem an einen langen Zeithorizont und verantwortliches Handeln der Unternehmensführung gebunden. Erfüllen Manager diese zwei Bedingungen, sind sie aufgrund ihres Wissens, des Informationsvorsprungs in ihrem spezifischen Tätigkeitsbereich, wegen der Nähe zu ihren Kunden, Mitarbeitern, Stakeholdern und Konkurrenten in einer sehr viel besseren Position als wir, zu entscheiden ob beispielsweise Diesel-, Elektro-, Benzin-, Wasserstoff- oder Hybridmotoren zukunftsweisendere Technologien sind.
Doch was sich am Ende wirklich als nachhaltig erweist, bleibt auch für die betroffenen Unternehmen immer nur eine unsichere Prognose. Diese Unsicherheit erfordert eine angemessene Diversifikation in verschiedenste Sektoren und Betriebe. Auch Diversifikation ist Nachhaltigkeit.
Langer Zeithorizont
Der lange Zeithorizont ist schon im Wort „nachhalten“ angelegt. Nur eine Unternehmensleitung, welche die dauerhafte Entwicklung der Firma im Fokus hat, wird den langfristigen Konsequenzen ihrer Entscheide die nötige Aufmerksamkeit widmen. Betriebe mit einer langfristigen Strategie ziehen die gesellschaftliche Akzeptanz ihrer Produkte, die Anerkennung ihres Verhaltens gegenüber Umwelt, Mitarbeitern und anderen Stakeholdern bei ihren Entscheiden in Betracht. Die Reputation ist für den dauerhaften Unternehmenserfolg entscheidend.
Aber wie unterscheidet man eine konsequente, langfristige Strategie von oberflächlichen Lippenbekenntnis in hochglänzenden und hochtrabenden Leitbildern? Eine einfache Antwort existiert nicht. Doch es gibt zahlreiche Indizien. So untergraben zum Beispiel knappe Eigenmittel die Verfolgung langfristiger Ziele. Wenn jede grössere Investition, jeder wirtschaftliche Einbruch die Existenz eines Unternehmens bedroht, wird die Aufmerksamkeit der Leitung fast automatisch auf die unmittelbare Zukunft gelenkt. Ein hoher Verschuldungsgrad behindert eine langfristige, nachhaltige Strategie. Unter anderem deshalb haben wir uns schon früh von Aryzta getrennt.
Ein Manger, dessen Einkommen vor allem an die kurz- und mittelfristige Geschäftsentwicklung gebunden ist, wird zeitlich entfernten Folgen seiner Entscheide geringeres Gewicht beimessen, als wenn grosse Teile seines Vermögens im Unternehmen gebunden sind. Ähnlich wirken auch die Eigentumsverhältnisse. Ein starker Aktionär, der vom langfristigen Geschäftsgang persönlich und privat betroffen ist, wirkt disziplinierend auf die Unternehmensführung. Agiert diese nicht im langfristigen Interesse der Eigentümer, muss sie stets mit Interventionen rechnen. Das sind Gründe, die uns veranlassen, Roche und Idorsia stärker als Novartis mit ihrem stark zersplitterten Aktionariat zu gewichten.
Verantwortliches Handeln
Nachhaltige Führung erfordert verantwortliches Handeln. Verantwortungsbewusstsein ist aber kaum messbar, formale Analysen laufen leicht ins Leere. Das von Erfahrung und oft zufälligen Beobachtungen gespiesene Bauchgefühl hat mehr Gehalt.
Schon eine einzige Bemerkung kann einen wertvollen Fingerzeig geben. Etwa wenn der oberste Verantwortliche der Credit Suisse nach systematischen und schwerwiegenden Regelverletzungen in der Bank sich mit einer weissen Weste über die Verfehlungen erhebt. Ein gewissenhafter Unternehmensführer widmet sich in einer solchen Situation den Schwächen in der von ihm mitgeprägten Unternehmenskultur. Er sucht die Mängel in den von ihm verantworteten Kontrollprozessen. Eine weisse Weste des obersten Chefs zeugt von fehlendem Verantwortungsbewusstsein. Der Partisan hält keine Aktien der Credit Suisse.
Ähnliche Zweifel säten auch die üppige Entlöhnung des CEOs von GAM nur wenige Monate nach seinem Stellenantritt, losgelöst von jeglicher Leistung. An GAM halten wir nur noch eine ganz kleine Position.
Auch die informelle Referenz eines Kollegen, der sich mit einem bestimmten Unternehmen intensiv auseinandergesetzt hat, ist häufig dienlicher als seitenlange Analysen; weil sie auf vielen Eindrücken und geschulter Intuition statt nur auf dem Messbaren beruht. Einige unserer erfolgreichsten Investitionen wie Kardex, Schindler und Actelion/Idorsia fanden ihren Weg so in unser Portfolio.
Geht es um die Auswahl konkreter Unternehmen, sind unsere Kriterien unscharf und weniger transparent als bei vielen als „nachhaltig“ deklarierten Fonds. Das ist ein Nachteil. Wir glauben aber, dass Intuition und andere schwer definierbare Aspekte für eine wirklich nachhaltige Entwicklung von grosser Bedeutung sind.
Wie wirkt sich unser Ansatz in der Praxis aus? Wie verhält sich unser Portfolio im Vergleich zu nachhaltigen Produkten? Wie gross sind die Unterschiede? Investiert der Partisan in Unternehmen, die für ethisch motivierte Anlagestrategien nicht in Frage kommen? All das erfahren Sie in einem nächsten Beitrag.