„In welche Wertpapiere soll ich investieren?“ fragen viele Anleger und Vermögensverwalter. Die Frage ist grundfalsch.
„Wer soll den Staat regieren?“ fragten zahlreiche Philosophen. Ihre Antworten (der Weiseste, der geborene Herrscher, die Arbeiter, das Volk, die Herrenrasse, etc.) versuchen uns davon zu überzeugen, dass ein fundamentales Problem der politischen Theorie gelöst worden ist. Doch so überzeugend die Begründungen auch sein mögen: Die Antworten umgehen bloss die Schwierigkeiten und sind nutzlos. Denn selbst die Philosophen geben zu, dass die politischen Führer nicht immer hinreichend ‚gut‘ oder ‚weise‘ sind und dass es schwierig ist, eine Regierung zu finden, auf deren Güte man sich unbedingt verlassen kann.
Das Grundproblem der Politik
Karl Popper hält die Frage deshalb für fundamental falsch. Das Grundproblem der Politik stellt sich für ihn anders: „Wie können wir politische Institutionen so organisieren, dass es schlechten oder inkompetenten Herrschern unmöglich ist, allzu grossen Schaden anzurichten?“. So ist für Popper das entscheidende Merkmal einer Demokratie nicht das Recht, eine Regierung zu wählen. Massgebend ist die Möglichkeit, eine bestehende Regierung abzuwählen und damit ihre Macht, ihr Schadenspotential zu begrenzen.
Doch was hat das mit Vermögensverwaltung zu tun? Poppers Erkenntnisse lassen sich analog übertragen.
Das Grundproblem der Vermögensverwaltung
„In welche Wertpapiere soll ich investieren?“ fragen viele Anleger und Vermögensverwalter. Mit ihren Antworten (die sichersten, die nachhaltigsten, die profitabelsten, etc.) scheinen sie die wesentliche Entscheidung zu treffen. Doch in Wirklichkeit umgehen diese Antworten bloss die Schwierigkeiten und sind nutzlos. Selbst die angesehensten Ökonomen geben zu, dass es schwierig ist, eine Anlage zu finden, auf deren Sicherheit, Nachhaltigkeit oder Profitabilität man sich unbedingt verlassen kann. Auch die Einschätzungen der besten Analysten erweisen sich allzu oft als falsch.
Das Grundproblem der Vermögensverwaltung ist deshalb nicht die Selektion der sichersten, lukrativsten oder nachhaltigsten Anlageobjekte. Die entscheidende Frage lautet: Wie kann man Geld so anlegen, dass trotz Fehleinschätzungen keine allzu grossen Schäden entstehen? Was in der Politik die Beschränkung der Macht, ist in der Vermögensverwaltung gute Diversifikation. In beiden Fällen geht es um die Vermeidung von Klumpenrisiken. Es geht darum, das Unerwartete zu erwarten und sich darauf so gut wie möglich vorzubereiten.
Das heisst nicht, dass wir bei der Wahl der Anlagen völlig im Dunkeln tappen. Wenn wir auch nicht verlässlich voraussagen können, ob eine bestimmte Investition unsere Wünsche erfüllen wird, so wissen doch in vielen, vielleicht den meisten Fällen, dass sie uns unseren Zielen wahrscheinlich nicht näher bringt.
Betrachten wir ein paar Beispiele. Wir wissen, dass sich das einst als „Wunderfaser“ bezeichnete Asbest als gesundheitsschädlich und damit nicht nachhaltig erwiesen hat. Wir sollten deshalb nicht in dessen Produktion investieren. Hingegen haben wir keine Möglichkeit zu wissen, ob die heute als „nachhaltig“ betrachteten Elektromobile sich in einigen Jahren auch als unheilvoll erweisen. Deshalb sollten wir nicht zu viel in diese investieren, sondern auch in andere Technologien diversifizieren. Wenn wir nach Sicherheit streben, sollten wir nicht in Anleihen hoch verschuldeter Unternehmen investieren. Die Erfahrung lehrt, dass diese häufig nicht zurückbezahlt werden. Ob angeblich „sichere“ Staatsanleihen halten, was ihr Rating verspricht, wissen wir jedoch nicht. Deshalb sollten wir keinen zu grossen Teil unseres Vermögens in diesen Papieren parkieren. Wir wissen auch, dass Obligationen mit hohem Coupon steuerlich benachteiligt sind. Wollen wir nicht unnötige Steuern zahlen, müssen wir sie meiden.
Gute Vermögensverwaltung besteht also darin, mit Bezug auf unsere Ziele erkennbar schlechte Wertpapiere auszuschliessen, und den scheinbar zielführenden Investitionen kritisch zu begegnen. So wie wir keiner Regierung und keiner Theorie blind vertrauen können, sollten wir uns auf keine Geldanlage mehr als nötig verlassen. Fehleinschätzungen sind unvermeidlich. Gute Diversifikation begrenzt deren Folgen.
Natürlich ist auch das nur eine Theorie. Ganz im Sinne Poppers freue ich mich, wenn Sie diese hinterfragen und hier wenn nötig kritisch kommentieren.