Ist eine Konjunktur-, Epidemie-, Zins- oder Inflationsprognose glaubwürdig und verlässlich, ist sie weder glaubwürdig noch verlässlich.
Kündigt der Wetterfrosch für den folgenden Tag eine Front mit Niederschlägen und für den Tag darauf ein sonniges Zwischenhoch an, kann man sich erfahrungsgemäss recht gut auf die Prognose verlassen.
Kündigt hingegen die Konjunkturforschungsstelle für 2023 eine Konjunkturabschwächung und für 2024 eine Erholung an, dann handelt es sich mit den Worten des Ökonomen Aymo Brunetti um eine äusserst unsichere Prognose, bzw. um „Science Fiction“. Dass die Aussagekraft überjähriger Konjunkturprognosen sehr bescheiden ist, hat einen guten Grund. Würde beispielsweise der Beginn einer starken Rezession in 12 Monaten zuverlässig prognostiziert, würden viele Konsumenten und Unternehmen ihr Verhalten ändern. Im Hinblick auf die schwere Zeit würden sie den Gürtel sofort enger schnallen und mehr sparen, weniger konsumieren, produzieren und investieren. Die Rezession wäre deutlich früher als vorhergesagt hier.
Ähnliches gilt etwa für Inflations-, Währungs- oder Zinsprognosen. Könnte man einen starken Preisanstieg in ein, zwei Jahren verlässlich vorhersagen, würden viele Leute schon heute reagieren und den geplanten Kauf eines neuen Autos oder die Buchung einer Reise in Erwartung steigender Preise beschleunigen. Die Nachfrage und damit die Preise würden rasch steigen, die Inflation wäre schneller als vorhergesagt hier. Wer in einem Jahr höhere Zinsen erwartet, schliesst die Hypothek lieber schon heute ab und treibt dadurch die Zinsen. Wer der Prognose eines stärkeren Euro im Juli glaubt, wechselt das Geld für die Ferien besser gleich, der Euro steigt dank der Prognose schon heute.
Konjunktur-, Inflations-, Zins- oder Währungsprognosen weisen in der Regel dann die höchste Trefferquote auf, wenn sie die aktuellen Wachstums- und Teuerungsraten, die heutigen Zinssätze oder Devisenkurse mehr oder weniger extrapolieren. Weil sie dann die Erwartungen der Wirtschaftssubjekte nicht wesentlich beeinflussen und ändern. Trendänderungen sehen die Prognostiker dagegen selten korrekt voraus, obwohl gerade das die nützlichsten Prognosen wären. Weder der massive Konjunktureinbruch aufgrund der Finanzkrise, noch die rasante Konjunkturerholung nach der Covid-Krise, noch der massive Anstieg der Inflation seit 2021, noch der starke Zinsanstieg seit Beginn dieses Jahres, noch der beträchtliche Wertverlust des Dollars im November wurden vorhergesagt.
Kündigen Epidemiologen auf Grund beobachteter, hoher Ansteckungsraten die rasche Verbreitung einer gefährlichen Krankheit an, bleiben die meisten Leute freiwillig zu Hause und schützen sich, so gut es nur geht. Die Ansteckungsraten sinken deshalb sofort und massiv. Weil die Leute der Prognose glauben und darauf reagieren, verbreitet sich die Krankheit viel langsamer als vorhergesagt. Wenn die Prognose begründet und glaubwürdig ist, erfüllt sie sich nicht.
Die Wettergötter reagieren (nach heutigem Wissen) weder auf die Prognosen der Wetterfrösche, noch ändern sie ihre Regen-Pläne, wenn wir den Schirm einpacken. Deshalb sind verlässliche Wetterprognosen möglich. Doch wo immer Prognosen über eine Verhaltensänderungen der Menschen ihre eigene Prognosegrösse massgeblich beeinflussen können, sind zuverlässige Vorhersagen ein Widerspruch in sich selbst. Je besser und glaubwürdiger die Prognose, desto schlechter ist sie. Zuverlässige Konjunktur-, Epidemie- oder Marktprognosen kann es nicht geben.
Wer seine Anlageentscheide zu sehr auf solchen Prognosen basiert, wird früher oder später scheitern. Viel mehr Erfolg verspricht echte Diversifikation. Denn sie bietet den bestmöglichen Schutz vor Fehlprognosen.