Basieren Erwartungen auf einem fragilen Fundament, können sie sich rasch und unvorhersehbar ändern. Unstabile Erwartungen dürften auch die tiefere Ursache der jüngsten Turbulenzen am Aktienmarkt sein.
Aus heiterem Himmel sind die Aktienmärkte Anfang Februar eingebrochen. „An der Schwelle zum neuen Jahr beurteilen wir die globalen Aktienmärkte aufgrund des robusten Wirtschaftswachstums und der kaum vorhandenen Anzeichen eines bevorstehenden Abschwungs positiv“, schrieb eine bekannte Bank in ihrem Ausblick für 2018. Und eine Mehrheit der Akteure vertrat ähnliche Prognosen.
Über die Gründe der abrupten Korrektur wird jetzt gerätselt und spekuliert. Klar ersichtlich sind sie nicht. In den Stunden, Tagen und Wochen vor dem Einbruch haben sich die beobachtbaren Fundamentaldaten nicht auffällig geändert. Insbesondere die Zinsen, die jetzt viele als ursächlich für den Kurssturz erklären, hatten sich im fraglichen Zeitraum nicht ungewöhnlich bewegt. Ein einfacher Zusammenhang zwischen Zinsniveau und Mini-Crash besteht ganz offensichtlich nicht.
Doch das heisst wenig. An den Finanzmärkten sind die Zusammenhänge komplex und oft nicht linear. Börsenkurse reflektieren Erwartungen an die künftige Wirtschaftsentwicklung. Und die Wirtschafsentwicklung hängt unter anderem selbst wieder von den Bewegungen an den Börsen ab. Zudem beeinflussen sich die Erwartungen verschiedener Akteure gegenseitig. Auch schwer messbare Vorkommnisse wie Gerüchte spielen für die Erwartungsbildung eine Rolle. Dieses undurchschaubare Geflecht wechselwirkender Faktoren kann eine kaum prognostizierbare Eigendynamik entfesseln.
So kann ein falsches Gerücht über Liquiditätsprobleme eine Bank in kürzester Zeit zu Fall bringen. Denn selbst Gläubiger die wissen, dass das Gerücht unwahr ist, werden ihre Ersparnisse sofort abheben, wenn sie erwarten, dass andere dem Gerücht Glauben schenken. Wenn viele plötzlich ihr Geld abziehen, wird das falsche Gerücht unversehens wahr.
Eine vergleichbare Dynamik könnte auch den jüngsten Turbulenzen an den Aktienmärkten zugrunde liegen. Bekommen einige Akteure Angst, dass andere ihr Engagement reduzieren, verkaufen sie in Erwartung weiter sinkender Preise, selbst wenn sie noch Stunden oder Minuten zuvor an eine positive Wirtschaftsentwicklung glaubten.
Entscheidend ist nun aber, dass sich derartige Teufelskreise selten im luftleeren Raum entwickeln. Sie treten vor allem dann auf, wenn das Fundament nicht stabil und wacklig ist. Eine kerngesunde Bank wird kaum einem blossen Gerücht zum Opfer fallen. Das Gemunkel wird mangels Glaubwürdigkeit auf taube Ohren stossen. Ist eine Sparkasse aber knapp mit Eigenmitteln ausgestattet, kann schon ein an sich harmloses Ereignis das Fass zum Überlaufen bringen. Die Erwartungen der Gläubiger an die dauerhafte Zahlungsfähigkeit der Bank sind dann labil und kippen leicht.
Ebenso scheint ein schwerer Börsenkrach wenig wahrscheinlich, wenn die Wirtschaft auf einem robusten Fundament floriert. Robust sind etwa nachhaltige Produktivitätsfortschritte aufgrund von Innovationen. Wird die Konjunktur aber vor allem künstlich stimuliert, etwa mit tiefen Zinsen, kann schon ein unbedeutendes Ereignis und leicht höhere Zinsen urplötzlich Angst vor einem Konjunkturabschwung auslösen. Die Erwartungen an die künftige Entwicklung sind weniger stabil und können leicht kippen. Die Entstehung einer negativen Dynamik wird wahrscheinlicher.
Ob im konkreten Fall wie oft behauptet die Publikation beschleunigter Lohnwachstumszahlen und darauf basierende Inflations- und Zinsängste der auslösende Faktor für den Kurseinbruch waren, wird man nie feststellen können. Es ist auch ohne Belang. Hingegen kann der überraschende Kurssturz als Indiz gewertet werden, dass das aktuelle Wirtschaftswachstum womöglich nicht ganz so robust wie angenommen ist. In einem stabilen Umfeld sind derart erratische Kursbewegungen zwar nicht ausgeschlossen, aber doch wenig wahrscheinlich.
Was heisst das für Sie als Anleger? Je fragiler das Fundament, desto anfälliger sind die Finanzmärkte für unvorhersehbare, grosse Bewegungen. Das gilt nicht nur für Aktienpreise, sondern selbst für scheinbar sichere Staatsanleihen (mehr dazu im einem späteren Beitrag). Der wirksamste Schutz Ihres Vermögens basiert deshalb nicht auf unsicheren Prognosen. Eine gute Diversifikation ist das Mittel der Wahl. Vermeiden Sie Risikokonzentrationen wo immer es geht, gleichgültig wie unwahrscheinlich Ihnen ein Risiko aus heutiger Sicht erscheint.