Wer Vermögenswerte freiwillig in Pensionskassen oder die Säule 3a verschiebt, nimmt ein hohes Risiko in Kauf. Vermeintliche Steuerersparnisse könnten sich dereinst als teuer erweisen.
Steuern sparen mit der 2. oder 3. Säule? Wir waren schon 2017 skeptisch. Denn die steuerlichen Vergünstigungen sind nicht in Stein gemeisselt, wie damals noch die meisten glaubten. „Es ist damit zu rechnen, dass vergleichbare Gesetzesänderungen erneut auf den Tisch kommen“, prophezeiten wir, nachdem ein erster Versuch, die Steuern auf die gebundenen Vermögen klammheimlich zu erhöhen, mit der Rentenreform «Altersvorsorge 2020» in einem Volksentscheid abgelehnt wurde.
Nun, es ist soweit. Der Bundesrat lanciert mit dem Vorschlag, die Steuern auf Kapitalbezügen der 2. und der 3. Säule zu erhöhen, ganz offen einen Raubzug auf die private Vorsorge. Gemäss Recherchen der NZZ soll zudem auch dem Vorsorge-Splitting ein Riegel geschoben werden. Kommt die Landesregierung damit durch, haben viele Pech gehabt, die Geld im Vertrauen auf die geltende Gesetzeslage freiwillig in die gebundene Vorsorge einbezahlt haben.
Es wird behauptet, es gehe nur um die Stopfung eines Steuerschlupfloches, das von Haushalten mit hohen Einkommen zur Steueroptimierung missbraucht werde. Wer das glaubt, ist naiv. Erstens wurde dieses „Loch“ bewusst geschaffen, um die breite Bevölkerung zu eigenverantwortlicher Vorsorge zu ermutigen. Zweitens trifft der Vorschlag in erster Linie den Mittelstand, allen voran die Selbständigen, welche oft ohnehin schon wenig Alterskapital haben. Und drittens werden viele Vermögende ihre Ersparnisse rechtzeitig vor dem Zugriff des Fiskus in Sicherheit zu bringen wissen; über den Kauf einer Immobilie, die Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit oder die Auswanderung ins Ausland.
Naiv ist auch, wer annimmt, die geplante Steuererhöhung werde am politischen Widerstand scheitern, und sei damit vom Tisch. Die Schweiz steht vor enormen finanziellen Löchern. Nicht erst seit der 13. Montasrente sind die künftigen Verpflichtungen der AHV zu grossen Teilen ungedeckt. Die rapide steigenden Kosten der Gesundheitsversorgung werden zunehmend durch Staatszuschüsse statt über die Krankenkassen finanziert. Die vernachlässigte Landesverteidigung erfordert mehr Mittel. Der Bund wird in den nächsten Jahren mit allen Tricks versuchen, seine Einnahmen substantiell zu erhöhen. Denn die Alternative – in andern Bereichen ernsthaft zu sparen – ist für Politiker jeder Couleur äusserst unattraktiv und unbequem, müssten sie doch ihrer Clientel Subventionen, Privilegien und andere Vergünstigungen streichen.
Steuererhöhungen sind dort am ergiebigsten, wo das Steuersubstrat nicht oder nur schwer flüchten kann. Die in der Vorsorge gebundenen Vermögen sind deshalb ein bevorzugtes Ziel staatlicher Begehrlichkeit. Die Plünderung von Vorsorgesystemen ist auf internationaler Ebene regelmässig und in zahlreichen Varianten zu beobachten. In jüngerer Zeit etwa in Irland, in Ungarn oder in Polen, um nur eine kleine Auswahl zu nennen.
In der Schweiz haben es die Politiker zwar schwerer, Steuererhöhungen und andere Formen faktischer Teilenteignung durchzudrücken, weil dafür meist referendumsfähige Gesetzesänderungen erforderlich sind. Auch die neuesten Steuerforderungen des Bundesrates sind desahlb noch nicht beschlossene Sache. Doch sollte man die Hartnäckigkeit, Fantasie und Wendigkeit der Politik nicht unterschätzen, wenn es darum geht, unangenehme Sparmassnahmen zu vermeiden. Weitere, trickreiche Angriffe auf die Vorsorgegelder werden in den nächsten Jahren folgen. Wer Vermögenswerte freiwillig in Pensionskassen oder die Säule 3a verschiebt, nimmt ein hohes Risiko in Kauf. Vermeintliche Steuerersparnisse könnten sich dereinst als teuer erweisen.