Immer mehr Anleger kaufen „nachhaltige“ und „ethische“ Produkte, meist ohne zu wissen , was sie damit genau bewirken. Es fehlt ein breiter, öffentlicher Diskurs.
In den letzten Jahren haben viele unserer Konkurrenten die Namen ihrer Fonds mit Adjektiven wie „nachhaltig“, „sustainable“, „responsible“ oder „ethisch“ ergänzt. Was steckt dahinter?
Ist es das Eingeständnis, sich bis anhin unverantwortlich, unethisch, nicht nachhaltig verhalten zu haben? Mir sind keine Erklärungen der Verantwortlichen bekannt, die in diese Richtung weisen. Auch hatte ich während meiner langen Karriere in der Finanzindustrie nie den Eindruck, dass Bank- und Fondsmanager systematisch unverantwortlich, unethisch, wissentlich schadhaft gehandelt hätten, von wenigen schwarzen Schafen einmal abgesehen. Klar, Banker sind Menschen, keine Engel. Sie kennen Eigeninteressen, die in Konflikt mit gesellschaftlichen oder ökologischen Anliegen geraten können, oder die den Interessen ihrer Kunden zuwiderlaufen. Doch daran ändern die neuen Adjektive nichts.
Das Motiv hinter den wohlklingenden Wörtern ist ein anderes. Es geht ums Geschäft. Die Banken haben gemerkt, dass „Nachhaltigkeit“ neben der Rendite zu einem Wunsch vieler Kunden geworden ist. Also etikettieren sie ihre Produkte entsprechend. Inwieweit sich mit den Labels auch der inhaltliche Charakter der Fonds ändert, ist meist wenig transparent. Unabhängig davon: Solange die Beschriftungen nicht die Grenze zur Täuschung überschreiten, sind die Namensänderungen aus der Perspektive der Banken absolut vernünftig und legitim. In einer freien Wirtschaft obliegt es dem Konsumenten, wolkige Anpreisungen des Verkäufers auf ihren Gehalt zu prüfen.
Für den Anleger, der mit dem Kauf dieser Produkte nicht nur sein Gewissen beruhigen, sondern etwas Konkretes bewirken will, stellt sich die Situation komplizierter dar. Begriffe wie „ethisch“, „nachhaltig“, „verantwortlich“ sind ohne genaue Erklärung nichtssagende Allgemeinplätze. Jeder ist dafür, doch kaum zwei Menschen verstehen dasselbe darunter, wenn es um die Konkretisierung, die praktische Anwendung geht.
Das betrifft erstens die Ziele. Ist es zum Beispiel nachhaltig, simultan zahlreiche, teilweise kollidierende Ziele zu verfolgen? Die meisten „nachhaltigen“ Fonds bemühen sich unter dem verbreiteten Schlagwort „ESG“ (Environment, Social, Governance) gleichzeitig um so unterschiedliche Dinge wie Gewässerschutz, Menschenrechte, Volksgesundheit, Klimasteuerung, Zurückdrängung der Kernkraft, Demokratieförderung, Korruptionsbekämpfung, Tierschutz und Eindämmung der Gentechnik und Waffenproduktion. Oder ist es nachhaltig, sich auf wenige Anliegen zu konzentrieren, die man als besonders wichtig erachtet?
Zweitens ist die Wahl der Mittel entscheidend. Ist es zielführend, jene Unternehmen und Staaten zu boykottieren, welche den ins Auge gefassten Zielen entgegenzuwirken scheinen? Oder ist es effektiver, gerade in diese zu investieren, um sie über die Ausübung von Stimmrechten oder Kreditbedingungen in die gewünschte Richtung zu lenken? Ist es sinnvoll, wenn Anlagefonds direkt in die Geschäftsführung von Unternehemen eingreifen oder sollten sie sich als Aktionäre auf die Wahl geeigneter Personen in die Verwaltungsräte konzentrieren?
Massgebend ist für den wirkungsorientierten Anleger, drittens, die Rendite. Wer mit seinen Investitionen wenig verdient oder Geld verliert, büsst an Einfluss ein. Verantwortliches Handeln und nachhaltige Wirkung sind nicht unabhängig vom finanziellen Erfolg.
Wer diese drei Punkte nicht beachtet, wird wenig bis nichts, vielleicht gar Kontraproduktives bewirken. Doch als Anleger ist es heute schwierig, an aussagekräftige Informationen zu gelangen. Denn ein breiter, öffentlicher Diskurs zu diesen Themen fehlt weitgehend. Die von den Banken und den einschlägigen Ratingagenturen präsentierten Hochglanzbroschüren und Argumente sind in der Regel einseitig, meist wolkig, oberflächlich und in manchen Fällen wohl irreführend.
Auch scheinen sich still und heimlich so etwas wie Industriestandards zu etablieren, die zunehmend auch in verbindliche Gesetze und Regulatorien einfliessen. Die Entstehung dieser Standards entzieht sich weitgehend dem öffentlichen Diskurs. Sie ist von aussen kaum nachvollziehbar. Gemessen an den verkündeten Zielen, scheinen die Konventionen oft wenig plausibel.
Ein Problem ist sicherlich, dass viele Leute, die qualifiziert und kritisch zu einer öffentlichen Debatte beitragen könnten, wenig Anreiz dazu haben. Viele würden mit den Interessen ihrer Arbeitgeber, Geschäftspartner oder Kollegen in Konflikt geraten. Andere wollen sich in einem derart emotionsbeladenen Thema nicht exponieren. Politische Korrekheit spielt eine Rolle. Wir wollen versuchen, in nächster Zeit mit einigen kritischen Fragen und Beiträgen wenigstens ein bisschen mehr Licht und Leben in diese wichtige Sache zu bringen.