Wer nur aufgrund des Labels „nachhaltig“ in ein Anlageprodukt investiert, vermag wahrscheinlich sein Gewissen zu beruhigen, doch verantwortlich handelt er nicht. Er delegiert Verantwortung, die er nicht delegieren kann.
Wer möchte sein Geld nicht gerne verantwortungsvoll anlegen und gleichzeitig mehr verdienen? Genau das versprechen die Anbieter sogenannt nachhaltiger Anlageprodukte. Kein Wunder, verzeichnen diese Erzeugnisse zweistellige Wachstumsraten.
Doch die Wirklichkeit entspricht nicht der erfolgreichen Werbung. Wer nur aufgrund des Labels „nachhaltig“ in ein Anlageprodukt investiert, vermag wahrscheinlich sein Gewissen zu beruhigen, doch verantwortlich handelt er nicht. Er delegiert Verantwortung, die er nicht delegieren kann. Zudem muss er mit einer reduzierten Rendite rechnen.
Ein höchst diffuser Begriff
Unter dem Begriff „nachhaltige Anlage“ verstehen kaum zwei Personen dasselbe. Das zeigt schon eine kleine Umfrage im Bekanntenkreis. Während jemand Pharmaunternehmen aus ethischen Erwägungen ablehnt, halten andere die Krebsforschung von Roche für sehr bedeutsam; natürlich aus ethischen Gründen. Sind Atomkraftwerke des Teufels oder ist nukleare Energie vorderhand die einzig realistische Lösung zum Klimaproblem? Auch dazu gibt es Kontroversen. Die Kleiderproduktion in China betrachten manche als Angriff auf die Menschenrechte, andere erkennen darin die Schaffung wertvoller Arbeitsplätze für die Ärmsten. Selbst der scheinbar klare Fall der Waffenproduktion bleibt nicht unbestritten: Legte nicht Churchill überzeugend dar, dass eine glaubwürdige Verteidigungsbereitschaft Frankreichs und Englands den zweiten Weltkrieg verhindert hätte? Für einen Kollegen mit familiärer Bindung zu Lettland ist auch die aktuelle militärische Schlagkraft der EU Staaten alles andere als nachhaltig. Selbst keine Waffen zu produzieren, heisst nicht, dass sich auch Nachbarn an diese Ethik halten. Angesichts bitterster historischer Erfahrungen und mit Blick auf die Ereignisse in der Ukraine bangt man im Baltikum um die nachhaltige Verteidigungsbereitschaft der NATO.
Was nachhaltig ist und was nicht, hängt – sobald es konkret wird – von individuellen Präferenzen, von der persönlichen Weltanschauung, von der Interpretation komplexer Sachverhalte und Zusammenhänge ab. Entsprechend vielfältig und widersprüchlich sind die unter dem abstrakten Label „nachhaltig“ angebotenen Anlageprodukte.
- Manche Anbieter schliessen ganze, als schädlich deklarierte Branchen aus ihrem Universum aus. Das betrifft etwa Produzenten von Tabakprodukten, Pornografie, Alkohol, Kernenergie, Waffen, Schweinefleisch oder Anbieter von Glücksspielen. Dahinter steht meist eine bestimmte Ethik, eine Weltanschauung, eine Ideologie oder eine Religion.
- Ein anderer Ansatz anerkennt, dass alle Branchen eine Existenzberechtigung haben. Innerhalb eines Sektors versucht man deshalb jene Firmen zu eruieren, die bestimmte, als wichtig erachtete ökologische, soziale oder auch ökonomische Kriterien am ehesten erfüllen. Die verfolgten Ziele sind im Grundsatz zwar häufig unbestritten. Die Konkretisierung der relevanten Eigenschaften und ihre Priorisierung sind aber auch bei diesem Ansatz immer kontrovers. Zudem werden akribisch genaue Kriterien und Selektionsprozesse der komplexen Realität nicht immer gerecht. Allzu leicht gehen Augenmass und gesunder Menschenverstand hinter formalistischen Regeln verloren.
- Sogenannte „Impact-Investoren“ engagieren sich gezielt in Wirtschaftszweigen oder Themen, die sie als wegweisend für die künftige Entwicklung halten. Das sind beispielsweise Krebsforschung, Energieeffizienz oder Mikrokredite als Form der Entwicklungshilfe. Auch dieser Typus nachhaltiger Anlagen ist bei näherer Betrachtung keineswegs immer frei von Widersprüchen, wie ernst zu nehmende Hinweise auf negative Folgen von Mikrokrediten exemplarisch zeigen.
Wer nachhaltig investieren will, kommt deshalb nicht umhin, sich höchst persönlich und vertieft damit auseinanderzusetzen, was für ihn „nachhaltig“ ganz konkret bedeutet. Die Analyse von Unternehmen darf man getrost einem Vermögensverwalter anvertrauen. Doch die Kriterien, nach welchen die Anlageentscheide dann fallen, sollte jeder Anleger in den wesentlichen Zügen selber bestimmen und nicht delegieren. Er muss gezielt ein mit seinen individuellen Vorstellungen kompatibles Produkt suchen oder sich entsprechend beraten lassen. Sonst widerfährt ihm Ähnliches wie einer Bekannten, die Nestlés Trinkwassergeschäft als Paradebeispiel fehlender Nachhaltigkeit benannte. Mit reinem Gewissen hatte sie einen „nachhaltigen“ Fonds erworben, der ohne ihr Wissen ausgerechnet Nestlé als Schwergewicht hielt.
Abenteuerliche Renditeversprechen
Abenteuerlich ist die Behauptung vieler Anbieter, der Kauf ihrer nachhaltigen Produkte sei mit keinerlei Abstrichen an den finanziellen Zielen verbunden. Wenn einer der weltgrössten Vermögensverwalter suggeriert, seine nachhaltigen Fonds hätten ein mit „traditionellen Anlagen vergleichbares Renditeprofil“, muss man sich fragen, weshalb er traditionelle Fonds nach wie vor aktiv vermarktet. Zumal bei diesen nicht nur der ethische Anspruch, sondern auch die Marge deutlich geringer ist.
Zwar finden wenige (von den Anbietern oft zitierte) Studien, dass nachhaltige Anlagen durchschnittlich höhere Renditen erzielen. Doch leider sind diese Studien mit einem Makel behaftet. Sie widersprechen einem ökonomischen Naturgesetz: There is no free lunch. Wäre die Rendite nachhaltiger Anlagefonds bei gleichem Risiko wirklich systematisch höher, würde kaum noch jemand in traditionelle Anlagen investieren. Es sei denn, er wäre verrückt. Tatsächlich zeigen andere Studien, dass Unternehmen wie Alkohol- oder Waffenproduzenten, die nicht den dominierenden Nachhaltigkeitskriterien entsprechen, tendenziell höhere Renditen abwerfen. Zudem drücken bei nachhaltigen Anlageprodukten markant höhere Verwaltungsgebühren messbar auf die Erträge. „Sozial verantwortliche“ Investoren erwarten in der Regel eine tiefere Rendite.
Und was tut der Partisan?
Was heute als besonders nachhaltig gilt, kann schon morgen in schweren Verruf geraten. Nicht nur aufgrund neuer Erkenntnisse, sondern auch im Soge des Zeitgeistes. Für beides liefert die Geschichte ungezählte Zeugnisse. Wer den Partisan kennt, den wird kaum überraschen, dass Diversifikation und langfristiges Denken auch hier vorrangige Themen sind. Und natürlich auch Kosten. Und die Frage der Verantwortung. Lesen Sie über all dies in einem nächsten Beitrag.