Steuerwirkungen spielen für sinnvolle Anlageentscheide eine entscheidende Rolle. Selbst Fachleute und Berater sind sich dessen oft nicht bewusst. Zum grossen Schaden vieler Anleger.
Kein Zweifel, Steuern sind ein notwendiges Übel. Doch mehr Steuern bezahlen als man muss? Meiner Erfahrung nach überweisen selbst die lautesten Kritiker der Steueroptimierung Teile ihres Einkommens ohne Gewissensbisse in steuerlich privilegierte Gefässe der zweiten und dritten Säule. Obschon es dabei meist um nichts als Steuersparen geht.
Die steuerliche Ungleichbehandlung von Geldanlagen beschränkt sich in der Schweiz aber keineswegs auf die privilegierten Vorsorgegefässe. Auch ausserhalb dieses staatlich geförderten Sparens werden ökonomisch vergleichbare Anlagen vom Fiskus oft sehr unterschiedlich belastet. Das berücksichtigen viele Anleger und ihre Berater bei Anlageentscheiden nicht. Und schenken dem Staat ohne es zu wissen viel Geld.
Ein Beispiel sind die verbreiteten Vermögensverwaltungsmandate. Diese werden vom Gesetzgeber im Vergleich mit Anlagefonds bei Mehrwertsteuern, Stempelsteuern und Einkommenssteuern erheblich benachteiligt, obwohl ein Fonds faktisch genau dasselbe tut. Banken können mit Mandaten aber trotz der heute oft vollständigen Standardisierung den Schein der Individualität vorspiegeln und zudem Gebühren leichter verstecken. Deshalb verkaufen sie Mandate trotz Steuer- und Kostennachteilen für die Kunden oft lieber als Fonds.
Steuerlich noch stärker ins Gewicht fällt bei Anlagen ausserhalb der Pensionskasse und der Säule 3a aber die Unterscheidung zwischen Kapitalerträgen (Dividenden, Zinsen, Mieterträge) und Kapitalgewinnen (Wert- und Kurssteigerungen). Erträge unterliegen der Einkommensteuer, Gewinne nicht. Zwar gibt es gute Gründe für diese Differenzierung. So wäre ein Hauseigentümer aus finanziellen Gründen unter Umständen gezwungen, sein Heim zu verkaufen, wenn auf einer marktbedingten Wertsteigerung Einkommenssteuern erhoben würden. In der Praxis ist die Abgrenzung zwischen Kapitalertrag und -gewinn allerdings oft schwierig und willkürlich. Heutige Erträge können in künftige Erträge und damit heutige Kursgewinne transformiert werden, etwa wenn ein Unternehmen seine Gewinne reinvestiert.
Für eine Pensionskasse macht es steuerlich keinen Unterschied, ob eine Firma ihre Gewinne zurückbehält oder als Dividende ausschüttet. Für die Versicherten relevant ist nur die Summe aus Kurssteigerung und Ausschüttung einer Aktie. Ganz anders für den privaten Anleger: Eine Ausschüttung muss dieser als Einkommen versteuern, zurückbehaltene Gewinne nicht. Für Personen mit hohem Einkommenssteuersatz sind Titel mit hohen Dividenden deshalb unattraktiv.
Zum Beispiel in Zürich
Das ist selbst vielen Fachleuten und Beratern nicht bewusst. So empfiehlt die Börsenzeitung Cash den Kauf von Schweizer Dividenden-Titeln, die „nebst Kursgewinnen regelmässige Einkünfte“ bieten würden. Die Empfehlung vernachlässigt zwei entscheidende Punkte: Erstens werden Dividenden durch entsprechende Kursverluste der Aktie kompensiert, denn die Firma verliert natürlich um die Ausschüttung an Wert. Nicht zufällig weisen Titel mit traditionell hohen Dividenden wie Swiss Re, Swisscom oder UBS langfristig tendenziell nur geringe Kursgewinne oder gar Kursverluste auf. Im Gegensatz zu Firmen wie Roche, Geberit oder Lonza, die Gewinne grossenteils zurückbehalten und reinvestieren.
Zweitens liefern private Anleger mit hohem Steuersatz einen Grossteil der „regelmässigen Einkünfte“ in Form von Einkommensteuern dem Fiskus ab. Das sollte der Journalist eigentlich wissen. Sein eigenes Blatt dozierte zu recht, wer auf ganz legale Weise Steuern sparen wolle, müsse sich mit dem Grenzsteuersatz vertraut machen. Der Grenzsteuersatz besagt, welcher Teil eines zusätzlichen Einkommens dem Staat geschuldet wird. Dividenden sind zusätzliches Einkommen.
Ein Beispiel aus der Stadt Zürich: Wer ledig, reformiert und kinderlos ist, bezahlt bei einem Einkommen von Fr. 100’000.- Einkommenssteuern von 17’316.-, bzw. 17.3% (Durchschnittssteuersatz). Erwirbt er noch Aktien und erhält zusätzlich 1’000.- Dividenden, so beträgt das kumulierte Einkommen 101’000.-. Die Einkommensteuern steigen um 270.- auf 17’586.-. Er liefert also 27% der Dividenden dem Staat ab. Dass dieser sogenannte Grenzsteuersatz den Durchschnittssatz weit übersteigt, ist die Folge der Progression.
Verdient man Fr. 200’000.-, steigen die Steuern aufgrund der Fr. 1’000.- Dividenden von 52’461.-, auf 52’866.- Das sind 405.- oder satte 40.5%. In dieser Steuersituation sollte man sich den Erwerb einer Aktie mit hoher Ausschüttung, zum Beispiel der Swiss Re, gut überlegen. Dieser Titel kostet aktuell 80.6.- bei einer Dividende von 5.9. Bei 40.5% Grenzsatz bedeutet das zusätzliche Steuern von Fr. 2.4 pro Aktie, bzw. 2.9% des investierten Kapitals. Wenn man weiss, dass die Risikoprämie für Aktien im langfristigen Durchschnitt ca. 3% bis 5% p.a. beträgt, ist das verdammt viel. Das Risiko wird privatisiert, der Gewinn grösstenteils sozialisiert.
Nach Steuern und Spesen nur Verluste gewesen
Noch schlechter ist die Bilanz bei Anleihen mit hohem Coupon. Die eidgenössische Staatsanleihe mit Laufzeit bis April 2028 kostet heute Fr. 120.3 (inkl. aufgelaufener Zinsen), bezahlt jährlich einen Coupon von 4.- und bei Verfall den Nominalwert von 100.- zurück. Der Gewinn vor Steuern beträgt nach Adam Riese also 100.- + 6*4.- (Coupons) – 120.3(Kaufpreis) = Fr. 3.7. Das entspricht einer Vorsteuerrendite von ca. 0.6% pro Jahr. Versteuert wird aber nicht diese Rendite, sondern der Coupon, also 6 * 4.- * 40.5%. Das sind Fr. 9.7. Nach Steuern resultiert also ein sicherer Verlust von Fr.6.- auf den Anlagebetrag von 120.3, bzw. 5%. Ein grosszügiges Geschenk an den Staat!
Wer in Wertpapiere investiert, ist gut beraten, sich auch über die Steuerfolgen zu orientieren. Weil Zinsen, Dividenden und Mieterträge mit der Inflation meist steigen, wird das jetzt noch wichtiger. Banken und Beratern, die Ihnen Anlagen empfehlen, ohne Ihre spezifische Steuersituation zu kennen, sollten Sie äusserst skeptisch begegnen. Sonst müssen Sie eines Tages ernüchtert konstatieren: Nach Steuern und Spesen nur Verluste gewesen.