Die Medien haben Dutzende der letzten drei grossen Börsenstürze vorhergesagt. Wer auf solche Prognosen reagieren muss, hat sich vorher falsch positioniert.
Es scheint schon ewig her, doch blass erinnern wir uns: Anfang August, anno 2024 traf die Börsen der „schwarze Montag“, möglicherweise der Beginn einer ganz grossen Krise, wie es damals hiess. Doch wer seine Aktien aufgrund der furchteinflössenden Schlagzeilen teilweise oder ganz verkaufte, machte – das wissen wir heute – ein Verlustgeschäft. Denn schon zwei Wochen später hatten sich die meisten Titel von der Korrektur vollständig erholt.
Haben die schwarz schreibenden Journalisten ihre Fehleinschätzung begründet, reflektiert, korrigiert? In der Zeitung hat man nichts gelesen. Schnee von gestern. Stattdessen haben die Finanzpropheten vier Wochen danach die nächste, drohende Katastrophe identifiziert und ausgerufen:
„Experten sehen Parallelen zur Dotcom-Blase“, warnte etwa das Deutsche Fernsehen ARD am 6. September, nachdem Aktien wie Apple, Microsoft oder Nvidia während einiger Tage erneut etwas gesunken waren. „Massiv überbewertet“ sei die künstliche Intelligenz. Zur Erinnerung: Die Dotcom-Blase war jene Spekulationsblase zu Beginn des Jahrtausends, an deren Ende der breite amerikanische Technologieindex NASDAQ Composite rund 80% seines Wertes verlor und die meisten Titel des deutschen „neuen Marktes“ im Konkurs oder in der Bedeutungslosigkeit versanken.
Allerdings haben sich die Kurse trotz den diagnostizierten, beängstigenden Parallelen auch diesen September rasch von der Korrektur erholt. Wer aufgrund der neuen Katastrophenwarnung wieder verkaufte, hat seit Anfang August sein zweites, verlustbringendes Aktiengeschäft getätigt.
Klar, die düsteren Prognosen hätten auch eintreffen können, oder könnten es noch. Jede Bewegung an den Aktienmärkten könnte sich zum grossen Crash ausweiten. Jede Phase stark steigender Kurse kann sich später als Blase entpuppen. Dummerweise wissen wir das immer erst im Nachhinein. Wirtschaftskrisen gibt es, seit es Volkswirtschaften, Börsenstürze seit es Börsen gibt. Das wird sich auch in Zukunft kaum ändern. Wer also alle paar Wochen einen Börsenkrach prognostiziert, wird früher oder später richtig liegen.
Der bekannte Ökonom Paul Samuelson hatte einmal scherzhaft festgestellt, dass die Aktienmärkte neun der letzten fünf Rezessionen vorhergesagt hätten. Ganz ohne Scherz und Übertreibung muss man konstatieren, dass die Medien Dutzende der letzten drei grossen Börsenstürze (Dotcom 2001/02, Finanzkrise 2008/09, Covid 2020) vorhergesagt haben. Wenn auch meist zur falschen Zeit.
Sollten wir als Anleger den Katastrophenprognosen Rechnung tragen, auch wenn sie sich in der überwiegenden Mehrzahl als Fehlalarm erweisen? Im Allgemeinen ja, aber nicht im Speziellen, nie im konkreten Fall.
Kluge Anleger rechnen allgemein damit, dass sich auch dunkelste Szenarien bewahrheiten können, auch wenn das selten ist. Sie positionieren sich so, dass sie eine Krise überstehen können, ohne ihre Aktien im dümmsten Zeitpunkt zu Tiefstpreisen verkaufen zu müssen. Sie nehmen nicht mehr Risiken, als sie auch bei sehr ungünstiger Entwicklung verkraften können. Kluge Anleger sind auf Krisen ständig vorbereitet, so dass sie auch im ungünstigen Fall nicht in Panik verfallen müssen.
Wer hingegen auf jede konkrete Börsenwarnung reagieren muss, zeigt, dass er sich mit Risiken übernommen hat. Er lebt ständig in Angst und macht sich zum Getriebenen. Und die Prognosen werden in aller Regel erst dann richtig düster, wenn die Kurse bereits beträchtlich gefallen sind. Und sie werden erst dann wieder optimistisch, wenn die Börsen wieder stark gestiegen sind. Die Prognosen der meisten Finanzexperten folgen den Börsenkursen und nicht umgekehrt.
Wer also die Warnungen im Speziellen beachtet, folgt automatisch der Regel „sell low, buy high“. Keine erfolgversprechende Strategie. Erfolgreiche Anleger reduzieren ihr Risiko nicht erst aufgrund konkreter Prognosen. Sie reduzieren es permanent durch echte Diversifikation.