Freiwillige Einzahlungen in die Pensionskasse oder in die Säule 3a sind riskant.
Immer wieder werde ich von Kunden gefragt, ob sie freiwillige Beiträge an die Pensionskasse oder an die Säule 3a leisten sollten. Ihre Motivation liegt in vermuteten Steuerersparnissen. Die Beiträge können vom Einkommen abgezogen werden und unterliegen deshalb nicht der Einkommenssteuer. Die fiskalische Belastung erfolgt zeitlich verzögert erst dann, wenn die Guthaben als Kapital oder als Rente bezogen werden. Und sie erfolgt – so verspricht das aktuelle Steuerrecht – in den meisten Fällen zu einem tieferen Satz.
Inwieweit solche Steuervorteile dereinst aber wirklich realisiert werden können, ist höchst ungewiss. Nicht nur hat der zeitliche Aufschub der Steuern bei Zinsen nahe Null kaum noch einen ökonomischen Wert. Wichtiger ist, dass sich die Rechtslage und der anwendbare Steuersatz bis zum Bezug der Gelder ändern kann. Entwicklungen im Ausland und in der Schweiz weisen darauf hin, dass die effektive Belastung viel höher ausfallen könnte, als heute allgemein angenommen wird.
Die Ursachen liegen zum einen in den seit langem steigenden Staatsausgaben und der zunehmenden Verschuldung der meisten Staaten. Damit eng verknüpft ist zum andern die nicht nachhaltig gesicherte Finanzierung der heutigen Rentensysteme, was in erster Linie auf die demographische Entwicklung zurückzuführen ist. Diese riesigen finanziellen Löcher müssen früher oder später gedeckt werden. Dass dazu unter anderem auf Vermögenswerte in den Vorsorgesystemen zurückgegriffen wird, ist naheliegend. Nicht nur aufgrund der schieren Grösse dieser Vermögen, sondern auch weil sich ihre Besitzer einer Besteuerung oder einer Teilenteignung kaum entziehen können, das Geld ist ihrer Verfügungsmacht weitgehend entzogen. Im Unterschied dazu können viele andere Steuern verhältnismässig einfacher umgangen werden und sind deshalb weniger ergiebig.
Auf internationaler Ebene sind solche Tendenzen seit Längerem sichtbar. So erläuterte die renommierte Vorsorgeexpertin Olivia Mitchel kürzlich in einem interessanten Vortrag, wie allein während der letzten 10 Jahre viele Staaten auf unterschiedliche Weise gezielt auf die Pensionsvermögen ihrer Bürger zugriffen. Sie erwähnte konkret Rentenreformen in Argentinien (2008), Irland (2009), Ungarn (2010), Portugal (2011), Polen (2013), Bulgarien (2015) und Russland (2015).
Auch in der Schweiz weisen bereits Entwicklungen in diese Richtung. Die kürzlich abgelehnte Vorlage zur Rentenform 2020 enthielt etwa versteckte Steuererhöhungen beim Kapitalbezug der zweiten und dritten Säule. War es bis anhin möglich, Guthaben auf verschiedenen Konten gestaffelt zu beziehen und damit eine hohe Progression zu vermeiden, so wäre diese Möglichkeit mit Annahme der Reform gestrichen worden. Es ist damit zu rechnen, dass vergleichbare Gesetzesänderungen erneut auf den Tisch kommen.
Der Ständerat will den Kapitalbezug von Guthaben aus der Pensionskasse einschränken, wenn (vorerst) auch nur für den obligatorischen Teil. Damit wird das Verfügungsrecht der Eigner über ihr Vermögen massiv beschnitten, was einen allfälligen künftigen Zugriff auf diese Mittel erleichtern würde. Beispielsweise könnte die Kaufkraft der Renten alsdann durch Inflation entwertet werden. Dass diese Beschränkung der Verfügungsrechte mit fragwürdigen Argumenten in Zusammenhang mit Ergänzungsleistungen begründet wird, ändert nichts am Resultat.*
Insgesamt stehen die vermeintlichen Steuerersparnisse deshalb grossen Risiken mit Bezug auf die Rechtssicherheit gegenüber. Je weiter die Pension noch entfernt ist, umso unwahrscheinlicher scheint es, dass die verlockenden Steuervorteile dereinst tatsächlich realisiert werden können. Persönlich überweise ich keinen Franken freiwillig in die Pensionskasse oder die Säule 3a. Die Verfügungsgewalt über mein Vermögen ist mir wichtiger als unsichere Steuervorteile.
* Die offizielle Begründung für die Einschränkungen des Kaptialbezugs lautet, dass viele Personen ihr Kapital angeblich vorzeitig verschleudern und dann mit dem Bezug von Ergänzungsleistungen die Sozialsysteme belasten. Fragwürdig ist dieses Argument nicht nur, weil es empirisch schwach dokumentiert ist, sondern vor allem, weil jeder Kapitalbezug aufgrund der viel zu hohen Umwandlungssätze die jeweilige Pensionskasse und damit das Rentensystem insgesamt entlastet. Dass in einigen Fällen dann zusätzliche Ergänzungsleistungen ausbezahlt werden müssen, fällt im Vergleich dazu kaum ins Gewicht. Ginge es wirklich nur um die Ergänzungsleistungen, stünden gezieltere und verhältnismässigere Massnahmen zur Verfügung. Beispielsweise könnte man Kapitalbezügern den Anspruch auf spätere Ergänzungsleistungen kürzen.