Manche Banken schneidern Ihnen ein Portfolio nach Mass, ohne Ihre wichtigsten Masse zu nehmen.
Angenommen, Sie brauchen für eine Abdankung ein passendes Kleid und gehen deshalb zum Schneider. Dieser erkundigt sich nach Ihrer Lieblingsfarbe, schätzt Ihre Grösse, fragt Sie, wie viel Bargeld Sie in der Tasche haben und ob Sie sich für Mode interessieren. Wofür Sie das Kleid brauchen, ergründet er nicht. Auch Armlänge, Taille und Brustumfang misst er nicht. Wird der Schneider mit den gewonnenen Informationen ein passendes Kleid anfertigen? Für die Beerdigung schneidert er Ihnen vielleicht ein extravagantes Stück (weil Sie sich für Mode interessieren und zufällig ein paar grössere Scheine im Sack hatten), schlecht sitzend, in Ihrer liebsten Farbe: Knalligem Gelb. Natürlich gibt es solche Schneider nicht.
Fragwürdige Empfehlungen
Angenommen, Sie haben Fr. 500’000 geerbt und gehen deshalb zur Bank. Diese stellt einige Fragen: Welchen Betrag Sie anlegen möchten und wie lange. Ob Sie mehr verdienen, als ausgeben, bzw. ob Sie sparen. Sie erkundigt sich nach Ihrer persönlichen Einstellung zu Anlagerisiken, Ihrem Interesse für Finanzthemen und Börsen, sowie der erhofften Rendite. Ihr Alter, Ihre familiäre und berufliche Situation, Ihre finanziellen Verpflichtungen und Lebensziele thematisiert die Bank nicht. Wird sie mit den gewonnenen Informationen eine passende Anlagestrategie zimmern? Einer Studentin (20, in finanziellen Belangen risikoscheu, an Finanzthemen und Börsen bisher nicht interessiert, hält Aktien für reine Kasinospekulation, von den Eltern während des Studiums finanziell unterstützt) wird die Strategie „Relax“ empfohlen: 71% Liquidität und Obligationen, 16% Aktien, 10% Immobilien, 3% „alternative“ Anlagen. Solche Banken sind leider real.
Die Strategie „Relax“ passt zu dieser Studentin so gut wie ein knallgelbes Kleid an eine Abdankung. Alter und Risikofähigkeit (ihr Leben kann sie auch ohne das geerbte Vermögen gut bestreiten) gebieten einen Aktienanteil von weit über 50% (und eine sachliche Aufklärung über den Unterschied zwischen Kasino und der Investition in produktive Unternehmen). Angesichts ihres langen Zeithorizonts, der negativen Zinsen und der möglichen Teuerung wären 71% Liquidität und Obligationen für die Studentin wahrscheinlich gar riskanter als 100% Aktien. Trotzdem wird sie der fragwürdigen Empfehlung vermutlich folgen. Für Laien, die mit Finanzthemen nicht vertraut sind, ist es schwierig, die Qualität einer Anlageempfehlung zu beurteilen.
Das zugespitzte Beispiel zeigt ein verbreitetes Problem: Viele Banken raten ihren Kunden aufgrund standardisierter Fragen und zu stark vereinfachender Modelle zu „massgeschneiderten“ Anlagestrategien, die massgebende Kriterien vollständig ignorieren.
Das Vermögen ist mehr als ein Konto
Vermögensanlagen sind kein Selbstzweck. Sie bezwecken die Finanzierung künftiger Ausgaben. Etwa für den Erwerb eines Eigenheims, die Ausbildung der Kinder, die Gründung eines Unternehmens, Spenden für eine gemeinnützige Organisation, zur Aufrechterhaltung des Lebensstandards nach der Pensionierung, für ein Vermächtnis an die Nachkommen oder an eine Ihnen wichtige Institution. Einige dieser Ausgaben sind lebensnotwendig. Diese Mittel sollten zum entsprechenden Zeitpunkt mit grösstmöglicher Sicherheit zur Verfügung stehen. Auf andere Ausgaben und Wünsche können Sie notfalls auch gut verzichten. Diese Gelder können Sie ertrags- und risikoreicher anlegen.
Doch das Ihren künftigen Ausgaben zu Grunde liegende Vermögen besteht nicht nur aus dem Guthaben bei der Bank. Auch eine Immobilie, die Pensionskasse, ein eigenes Unternehmen, vielleicht sogar die Aussicht auf ein Erbe gehören dazu. Für Jüngere meist der wichtigste Vermögensbestandteil ist die Ausbildung, das Können, das Wissen. Wer über gefragtes Know-how und damit über gute Verdienstmöglichkeiten verfügt, kann auf seinen Anlagen grössere Risiken tragen.
Massgebend ist auch die berufliche und familiäre Situation. Ein Bergführer und Vater, dessen Einkommen von den Launen des Wetters, der persönlichen Gesundheit und der wirtschaftlichen Situation seiner Gäste abhängt, ist in einer ganz anderen Lage als der kinderlose Beamte, der auf ein garantiertes Salär und eine grosszügige Rente zählen kann.
Banken schützen sich selbst
Für eine zweckmässige Anlagestrategie muss die umfassende Lebens- und Vermögenssituation berücksichtigt werden. Das wird oft sträflich vernachlässigt, weil die relevanten Informationen nicht so leicht und standardisiert beschafft und verarbeitet werden können. Für Kundenberater ist das ein Aufwand.
Auch messen Banken in Ihren Empfehlungen den subjektiven Aussagen der Kunden eine zu hohe Bedeutung bei. Ein extravagantes gelbes Kleid ist für eine Abdankung nicht zweckmässig, unabhängig von der Farbpräferenz und vom Modeinteresse. Die Strategie „Relaxed“ ist für die Studentin nicht zweckmässig, unabhängig von ihrer erklärten Risikoneigung und ihrem Börsenwissen.
Sich entspannen kann mit der Strategie „Relax“ vor allem der Berater. Erstens wird ein ahnungsloser Anleger wahrscheinlich erst nach Jahren anhaltender Inflation merken, dass „sichere“ Obligationen gar nicht so sicher und sinnvoll waren. Auch kann sich der Berater ersparen, der Studentin mühseelig zu erklären, dass die kurzfristigen Schwankungen der Aktienpreise nicht das grösste Risiko für junge Anleger darstellen, dass langfristige Renditerwartungen über lange Zeiträume entscheidender sind. Empfiehlt eine Bank dagegen eine hohe Aktienquote, muss sie damit rechnen, dass sich ein Kunde bei einer Börsenkorrektur beschwert, vielleicht sogar Schadenersatz fordert. Auch wenn die Empfehlung im Hinblick auf den langen Zeithorizont richtig war.
Natürlich gibt es viele qualifizierte Berater, die im persönlichen Gespräch die richtigen Fragen stellen und ihre Kunden sachgemäss informieren. Leider sind das längst nicht alle. Das zeigen unsere langjährigen Erfahrungen im Anlagegeschäft wie auch Berichte unserer Kunden. Achten Sie auf die Fragen, die Ihnen ein Berater stellt. Erstaunlich viele schneidern Ihnen ein Portfolio auf den Leib, ohne den konkreten Zweck und Ihre wichtigsten Masse zu kennen. Und das für verdammt teures Geld.
Im Zweifel holen Sie besser eine zweite Meinung bei uns. Ein zweckmässiges Portfolio kann günstig aus wenigen Komponenten zusammengestellt werden. Passende Anlagestrategien sind keine Frage von exakten Massen. Sie sind eine Frage der richtigen Masse.