Die schweizerischen Vorsorgewerke kommen zunehmend unter Druck. Umso wichtiger wird die individuelle finanzielle Planung des Ruhestands. Ein neuer Ratgeber leistet dabei für Laien und Berater wertvolle Hilfe.
„Kann ich von der Rente aus AHV und Pensionskasse dereinst noch leben?“ Immer mehr Leute stellen sich diese Frage. Das Vertrauen in die schweizerischen Vorsorgewerke erodiert zusehends. Die zunehmende Lebenserwartung, die Verabschiedung der Babyboomer aus dem Erwerbsleben, immer tiefere Zinsen und ein notorischer Reformstau gefährden die nachhaltige Finanzierung der ersten und zweiten Säule. Die Coronakrise verschärft jetzt die Lage: Steigende Arbeitslosigkeit führt zu geringeren Beiträgen. Gleichzeitig leiden die bestehenden Vermögenswerte unter den Kurskorrekturen.
Der im NZZ Verlag erschienene Ratgeber „Was Sie über Altersvorsorge wissen sollten“ kommt da gerade recht. In verständlicher Sprache erklären ein bekannter Finanzjournalist und zwei ausgewiesene Praktiker das schweizerische Drei-Säulen-Konzept und die Herausforderungen, vor denen es steht. Darauf aufbauend vermitteln sie greifbares Wissen zum persönlichen Umgang mit der komplexen und vielschichtigen Materie.
Die zweite und die dritte Säule bieten dem Einzelnen zahlreiche Freiheitsgrade. Die Optionen reichen vom freiwilligen Einkauf in eine Pensionskasse über den Zeitpunkt der Pensionierung, die Staffelung der Bezüge, die Bestimmung einer geeigneten Anlagestrategie, die Selektion passender Anlagen für die dritte Säule und die Freizügigkeit bis zur Wahl zwischen Rente und Kapitalbezug beim Eintritt in den Ruhestand.
Es ist ein Verdienst der Autoren, die Kriterien für all diese Entscheide nicht auf messbare Grössen wie Alter, Einkommen, Vermögensstruktur, aktuelle Steuersätze oder Eigenschaften und Kosten der angebotenen Vorsorgeprodukte zu reduzieren.
Für eine kluge Planung mindestens so wichtig ist das Bewusstsein für Unsicherheiten. Persönliche Schicksalsschläge, volkswirtschaftliche und politische Entwicklungen lassen sich nicht zuverlässig prognostizieren. Und „oft werden die einzelnen Risiken im Kleinen überbewertet, während die existenzbedrohenden Risiken nicht oder zu wenig berücksichtigt werden“. Nicht alle Risiken müssen versichert werden. Zentral ist vielmehr eine sinnvolle Diversifikation im Gesamtkontext.
So sollte die Pensionskasse oder die Säule 3a nicht unabhängig von anderen Werten wie Immobilien oder Wertschriftendepots betrachtet werden. Entscheidend ist die Struktur des Gesamtvermögens. Dazu zählt auch das persönliche Humankapital als Basis für künftige Einkommenschancen.
Weder Rechtstexte noch deren Interpretation sind in Stein gemeisselt; Steuersätze können ändern. Wer freiwillige Beiträge an eine Pensionskasse oder die Säule 3a leistet, sollte deshalb bedenken, dass sich die damit verbundene Mobilitäteinschränkung des Kapitals in einer Zeit finanzieller Repression dereinst als Falle erweisen könnte.
Die rasch wachsende Staatsverschuldung und deren zunehmende Finanzierung durch die Notenbanken birgt Inflationsgefahren. Die meisten Pensionskassen passen die Renten nicht dem Preisniveau an. Bei der Vorsorge ausschliesslich auf nominale Anlagen und fixe Zahlungsströme zu setzen, ist riskant.
Diese und weitere wichtige Aspekte werden oft sträflich vernachlässigt. Eine umsichtige Planung des Ruhestandes setzt sowohl das Verständnis der grossen Risiken, als auch detailliertes Wissen über die konkreten Handlungsoptionen, Produkte, Steuer- und Kostenfolgen voraus. Dabei leistet dieses Buch für Laien und Berater fundierte und wertvolle Hilfe.