Ihr Geld verliert schneller an Wert als Sie glauben. Denn der Landesindex der Konsumentenpreise als Mass für die Inflation wird mit Tricks systematisch tiefgerechnet.
Inflation ist ein Phänomen, das nicht exakt gemessen werden kann. Die Unschärfe wird von den verantwortlichen Stellen trickreich genutzt, um die Teuerung systematisch tiefzurechnen. Dahinter stehen handfeste Interessen. Je geringer die Teuerung, desto weniger müssen etwa Arbeitgeber ihren Angestellten für den Teuerungsausgleich bezahlen. Die Regierung profitiert von höheren Steuererträgen, die sie weder ankündigen noch vom Stimmbürger genehmigen lassen muss: Der gesetzlich geforderte Ausgleich der kalten Progression wird mit einer zu tief ausgewiesenen Teuerung umgangen. Auch die Nationalbank dürfte nicht unglücklich sein, wenn sie ihre expansive Geldpolitik mit einer tiefen Inflation rechtfertigen kann.
Doch wie kann die Inflation tiefgerechnet werden? Einige markante Beispiele veranschaulichen die Schlaumeiereien.
Bussen werden unterschlagen
Haben Sie auch schon festgestellt, dass die stetig wachsende Zahl an Radars und Politessen direkte Auswirkungen auf Ihr Portemonnaie hat? Damit sind sie nicht allein. Die Erträge aus Bussen haben sich in den letzten 25 Jahren mehr als vervierfacht. Auch bei defensiver Fahrweise kaum noch vermeidbare Ordnungsbussen haben das Autofahren merklich verteuert. Im Index der Konsumentenpreise findet das jedoch keinen Niederschlag. Bussen sind nicht inflationsrelevant.
Steigende Schulkosten sind offiziell keine Inflation
Auch steuerfinanzierte Leistungen des Staates werden vollständig ausgeklammert. Beispielsweise der Unterricht an öffentlichen Schulen. Wie sehr sich das staatliche Bildungsangebot aber verteuert hat, lässt sich aufgrund der Entwicklung im privaten Bildungssektor und anhand der öffentlichen Bildungsausgaben erahnen. Die satte Verdoppelung der Bildungsausgaben kann sicherlich bei weitem nicht auf eine entsprechende Ausweitung des Angebots zurückgeführt werden. Ein grosser Teil dieser Ausgabenexplosion ist deshalb nichts anderes als Inflation. Es ist eine Form von Inflation, die Sie in Form höherer Steuern schmerzlich spüren, die im Preiseindex aber unterschlagen wird.
Ähnliches gilt vermutlich für eine ganze Reihe steuerfinanzierter Güter wie der Polizei, Strassen oder Forschung. Insgesamt sind die direkten Steuern für natürliche Personen in der Schweiz zwischen 1990 und 2015 um mehr als 100% gestiegen. Ein beachtlicher Teil davon dürfte auf eine Verteuerung und nicht auf eine Mengenausdehnung staatlicher Leistungen zurückzuführen sein. Steuern bewirken wie Bussen eine Reduktion Ihres Vermögens, einen Kaufkraftverlust.
Realitätsfremde Wohnkosten
Eine weitere Verzerrung betrifft staatlich gelenkte Preise. Beispielsweise werden Wohnungseigentümer mittels mietrechtlicher Hindernisse daran gehindert, marktgerechte Mieten zu erheben. Der Anstieg der im Preisindex mit 19% stark gewichteten Mieten ist deshalb relativ bescheiden. Doch das Gesetz von Angebot und Nachfrage besagt: Werden Preise künstlich tief gehalten, übersteigt die Nachfrage das Angebot. In vielen Schweizer Städten manifestiert sich das augenscheinlich in langen Schlangen bei Wohnungsbesichtigungen. Mangels Verfügbarkeit der billigen Wohnungen bleiben die im Index reflektierten Preise für viele Mieter reine Theorie. Sie müssen auf teurere Miet- oder Eigentumsobjekte ausweichen. Die Diskrepanz zwischen den Preisen für Eigentumswohnungen und den Mietpreisen zeigt die Verfälschung klar. Eigentumswohnungen sind im Index bemerkenswerterweise nicht direkt, sondern über den Umweg des Eigenmietwertes vertreten. Auch das ist ein Trick.
Krankenkassenprämien werden herausgerechnet
Krankenkassenprämien sucht man im Konsumentenpreisindex vergebens. Stattdessen findet man in der Warengruppe „Gesundheitspflege“ verschiedene Posten wie ärztliche Leistungen, Medikamente oder medizinische Hilfsmittel. Für alle diese Positionen wird in den letzten 25 Jahren eine geringe, für Medikamente gar eine stark negative Teuerung ausgewiesen. Nur ihr Gewicht im Warenkorb hat zugenommen. Die enormen Steigerungen der Prämien werden so wie der freiwillige Bezug zusätzlicher medizinischer Leistungen dargestellt: Eine reine Mengenausweitung. Die steigenden Prämien haben deshalb keinen Einfluss auf die Inflation.
Das ist nicht mehr als ein schlechter Witz. Denn die gewaltigen Mengenausweitungen beruhen zu grossen Teilen nicht auf freiwilligem Konsum zu den relevanten Preisen. Die Bezahlung der medizinischen Leistungen erfolgt für den Einzelnen zwangsweise über die Grundversicherung und damit völlig entkoppelt von der individuellen Bezugsmenge (abgesehen vom geringen Selbstbehalt). Medizinische Leistungen werden deshalb wie Freibier in grossem Übermass bezogen, bzw. von den Ärzten verschrieben.
Zudem dürfte ein wesentlicher Teil der ausgewiesenen Mengenausweitung nichts als getarnte Preiserhöhungen sein. Wenn etwa einem Arzt die freie Preisgestaltung mit vorgegebenen TARMED-Tarifen verunmöglicht wird, neigt er verständlicherweise dazu, dies auf der Rechnung mit erhöhten Mengen zu kompensieren, was oft nicht genau abgrenzbar, geschweige denn kontrollierbar ist. Oder er verschreibt grössere Medikamentenpackungen, die dann im Schrank der Patienten ungebraucht ablaufen. Es gibt viele Möglichkeiten, faktische Preiserhöhungen als Mengenausweitung darzustellen. Für die korrekte Berechnung der Inflation wären die Prämien deshalb das bessere Mass. Qualitätsverbesserungen wie eine Ausdehnung des Leistungskatalogs könnten über entsprechende Korrekturfaktoren berücksichtigt werden, wie dies auch bei andern Gütern getan wird. Die Ausklammerung der Krankenkasse aus der Berechnung führt zu einer bedeutenden Unterschätzung der Inflation.
Asymmetrische Qualitätskorrekturen
In neuerer Zeit werden für die Ermittlung der Preisänderung zunehmend Qualitätsverbesserungen von Gütern berücksichtigt. So werden Computerpreise um die gestiegene Rechenleistung nach unten korrigiert. Das ist an und für sich korrekt. Geschummelt wird aber auch hier. Berücksichtigt werden nämlich nur Qualitätsverbesserungen, nicht aber Qualitätsabnahmen. Kleider, die immer rascher ersetzt werden müssen, knapper werdende Sitzplätze in den Zügen oder Gemüse, das immer geschmacksärmer wird, werden vernachlässigt.
In der Summe erheblich
Einige dieser Zaubertricke werden von Bundesrat und Administration mit methodischen Argumenten elegant begründetet. Doch was taugen Methoden, wenn sie zu falschen Resultaten führen? Und die kumulierte Verfälschung ist wahrscheinlich beachtlich. Der Ökonom Gunther Schnabl schätzt die effektive Inflation in Deutschland auf 3.0% p.a. statt den publizierten 1.8%. Für die Schweiz sind mir keine entsprechenden Untersuchungen und Schätzungen bekannt. Eine Unterschätzung der Inflation um 1-2% pro Jahr scheint mir aufgrund der diskutierten Effekte aber auch hierzulande durchaus plausibel. Über 10 Jahre wären das 10% bis 20%. Wenn es um die Kaufkraft Ihres Vermögens geht, ist das alles andere als wenig.
Das wirft natürlich die Frage auf, wie man sich als Anleger gegen den Wertverlust des Geldes durch Inflation schützt. Dem widmen wir uns in einem nächsten Beitrag.[iphorm_popup id=“6″ name=“Newsletter (inactive)“] Hier abonnieren.[/iphorm_popup]