„Once in the dear dead days beyond recall, an out-of-town visitor was being shown the wonders of the New York financial district. When the party arrived at the Battery, one of his guides indicated some handsome ships riding at anchor. He said,’Look, those are the bankers‘ and brokers‘ yachts.“Where are the customers‘ yachts?‘ asked the naive visitor.“
Die Anekdote entstammt dem 1940 erschienen Finanzklassiker „Where are the customers‘ yachts?“. Die Titelfrage ist ort- und zeitlos.
Warum gehören die prächtigsten Yachten meist den Bankern und nicht deren Kunden? Hinweise, auf welch vielfältigen und verschlungen Wegen Vermögen von den Konten der Kunden auf die Konten der Banker gelangen kann, gibt eine umfangreiche, etwas trockene Publikation der UBS: „Understanding our fees, charges and other compensation“ mit dem Untertitel „Important information about how we are paid by you (…)“.
In der Vermögensverwaltung ist eine Methode besonders beliebt. Die Generierung von Umsatz in den Kundenportfolios eröffnet den Banken zahlreiche Möglichkeiten für einen gut getarnten Vermögenstransfer vom Kunden zur Bank. Der häufige Kauf, Verkauf und Wiederkauf von Wertschriften und Devisen wird natürlich begründet. Die „taktischen“ Umschichtungen folgen den Prognosen der Spezialisten und dienen – so die Banken – der Wertvermehrung. Buy low, sell high, ist die einleuchtende Logik.
Manche Banken unterlegen ihre Kursvorhersagen mit aufwändigen, oft interessanten Analysen und Studien. Andere argumentieren her kryptisch: „Die Börsenweisheit ‚Sell in May and go away …‘ hat sich bisher nicht realisiert. Für gute Laune sorgen unter anderem Hoffnungen auf Zinssenkungen. Wir bleiben zwar konstruktiv für Aktien, namentlich für Schweizer Large Caps, haben dabei aber unsere Sentiment- und Positioning-Indikatoren fest im Blick“, fasst etwa die ZKB ihre etwas holprige Lagebeurteilung zusammen. Hauptsache, man hat eine Meinung, die in entsprechende Transaktionen umgesetzt werden kann.
Besonders schlaue Banken bieten auch Mandate an, die ganz automatisch Umsatz erzeugen, was ihnen immer neue Begründungen erspart. So offeriert die UBS ein Produkt, das den Aktienanteil erhöht, wenn die Märkte steigen, und das Engagement reduziert, wenn sie fallen. Volatilität und Verluste sollen so langfristig reduziert werden. Erfolgversprechender wäre natürlich, den Aktienanteil zu erhöhen, bevor die Märkte steigen, bzw. zu reduzieren, bevor sie fallen. Damit könnten nicht nur Verluste reduziert, sondern gar Gewinne erzielt werden. Doch so viel scheint die Grossbank ihrem „datenbasierten, hauseigenen Aktienmarktindikator“ dann doch nicht zuzutrauen.
Die Überzeugungskraft der Argumente mag für die Gewinnung der Kunden wichtig sein. Für die Entwicklung der Kundenvermögen spielt die Plausibilität der Begründungen jedoch keine Rolle. Entscheidend ist einzig und allein die Treffsicherheit der Prognosen. Hier hapert es aber recht zuverlässig. Gleichgültig, ob es sich um komplexe Datenmodelle oder einfache „Finger-in-die-Luft-Prognosen“ handelt. Oder kennen Sie eine Bank, welche die Güte ihrer Prognosen nicht nur selektiv erwähnt, sondern über alle Anlageklassen und über längere Zeit systematisch auswertet und in aussagekräftiger Form offenlegt? Eine bessere Werbung als nachweislich treffsichere Vorhersagen gäbe es in der aktiven Vermögensverwaltung schliesslich nicht.
Nun, die Banken haben gute Gründe, auf diese Art der Werbung zu verzichten. Die fehlende Substanz ihrer Prognosen lässt sich etwa an den Renditen der taktisch aktiv verwalteten Anlagefonds ablesen. Diese schneiden im Vergleich zu ihren stetigeren Konkurrenten regelmässig schlechter ab. Zumindest längerfristig. Auch wer die veröffentlichten Kursprognosen einem systematischen Realitätscheck unterzieht, wird die eng begrenzte Prognosekraft leicht erkennen. Zum Beispiel 2018, 2019 oder 2020. Genauso wie die über Jahrzehnte falschen Zinsprognosen.
Mit kurzfristigen Finanzmarktprognosen begründete Transaktionen tragen selten bis nie zur systematischen Wertsteigerung der Kundenvermögen bei. Zur systematischen Steigerung der Bankerlöhne aber schon. Denn Umsatz schafft die Möglichkeit, Ertragsquellen zu Lasten der Kunden zu erschliessen. Quellen, die für den Kunden schwer erkennbar sind. Etwa über ungünstige Wechselkurse bei Devisengeschäften. Oder über erhöhte Gewinne des Wertschriftenhandels, der Transaktionen zum eigenen Vorteil zu nutzen weiss. Wer das Handelsgeschäft kennt, weiss wie vielfältig die Interessenskonflikte und wie fantasiereich die Banker sind. Da helfen auch immer kompliziertere Regulierungen, „Chinese walls“ und riesige Compliance-Abteilungen nicht viel. Solange schlaue Banker auf blauäugige Anleger treffen, bleibt die Frage nach den Yachten aktuell.
Hin und her macht Kundentaschen leer. Hin und her schenkt Bankern Yachten auf dem Meer.