„Im Tiefzinsumfeld sind Dividendenstrategien sehr sinnvoll“ lautet der Titel eines Interviews in der NZZ am Sonntag vom 24. Mai 2015. Der Beitrag repräsentiert eine Vielzahl von irreführenden Artikeln und Werbebotschaften, welche Aktien mit hoher Dividende als besser rentierende Alternative zu Obligationen preisen. Vorsicht ist geboten! Denn zum einen sind Dividendenpapiere riskanter als Obligationen. Zum andern wird meistens verschwiegen, dass hohe Dividenden aus Steuergründen für viele Anleger nachteilig sind. Und zwar unabhängig davon, ob die Aktien direkt, via Anlagefonds oder Exchange Traded Fonds (ETFs) gehalten werden.
Aktien sind keine Obligationen
Profitable Firmen wie beispielsweise Nestlé oder Novartis schütten in der Regel über Jahre und Jahrzehnte stabile, bzw. kontinuierlich wachsende Dividenden aus. Davon profitiere der langfristige Anleger ebenso wie vom Coupon einer Obligation, wird argumentiert. Und Kursschwankungen der Aktie spielten keine Rolle, solange die Aktie nicht verkauft werde. Nur: gerät eine Firma in die Verlustzone, können die Dividendenzahlungen im Gegensatz zum Coupon einer Obligation ohne Weiteres gekürzt oder gar vollständig gestrichen werden. Und vor Verlustrisiken ist kein Unternehmen gefeit. Beispielsweise galt UBS noch 2007 als eine der besten und stabilsten Firmen der Welt, mit entsprechenden Dividenden. Bis Anfang 2010 brach der Aktienkurs dann um gut 80% ein. Die Dividendenzahlungen wurden ab 2009 vollständig ausgesetzt und erst 2011 auf viel tieferem Niveau wieder aufgenommen. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten könnten plötzlich unerwartet viele Aktien von einem ähnlichen Szenario betroffen sein.
Vernachlässigte Steuerfolgen
Obschon für den langfristigen Anlageerfolg entscheidend, werden die Steuerwirkungen von Ausschüttungen regelmässig verschwiegen. Dividenden unterliegen in der Schweiz der Einkommensteuer. Eine alleinstehende Person in der Stadt Zürich mit einem steuerbaren Einkommen von 150’000- versteuert eine zusätzliche Dividende beispielsweise mit 37%. Schüttet Swisscom 22.-/ Aktie aus, müssen mehr als 8.- an Steuern bezahlt werden. Ein grosser Teil der langfristig zu erwartenden Rendite! Bei Ausländischen Aktien kommt dazu, dass Dividenden in den meisten Ländern einer Quellensteuer unterliegen, die oft nicht, oder nur teilweise zurückgefordert werden kann.
Für Anleger mit hohen (Grenz-)steuersätzen ist es deshalb oft attraktiver, in Aktien mit tiefen Dividenden zu investieren, weil dort ein grösserer Teil der Rendite in Form von Kurssteigerungen anfällt. Im Gegensatz zu Dividenden müssen diese nicht versteuert werden.
In der Schweiz macht es mit Blick auf die Steuerfolgen auch keinen erheblichen Unterschied, ob Aktien direkt oder via Anlagefonds oder ETFs gehalten werden. Die Berechnung des zu versteuernden Einkommens erfolgt weitgehend äquivalent.
Wer die Möglichkeit dazu hat, sollte Aktien mit hohen Dividenden im Rahmen einer Strategie für das Gesamtvermögen vor allem in der zweiten Säule oder der Säule 3a halten. Denn dort wird für die steuerliche Behandlung nicht zwischen Kapitalgewinn (Kurssteigerungen) und Kapitalertrag (Dividenden) unterschieden.
Einige Schweizer Firmen haben aufgrund von Sonderbestimmungen im Steuerrecht zudem temporär die Möglichkeit, Dividenden steuerfrei auszuschütten. Auch dies sollte im Rahmen einer guten Anlagestrategie ausgenützt werden. Leider sind sich nicht nur private Anleger, sondern auch professionelle Vermögensverwalter dieser Zusammenhänge allzu oft nicht bewusst.