Die Finanzmärkte hielten sich nicht an die Prognosen der Experten. Eine Vielzahl positiver und negativer Entwicklungen. Bei insgesamt positiver Tendenz.
„What Did Wall Street Get Right About Markets This Year? Not Much„, titelte das Wall Street Journal Ende 2023. Diese Schlagzeile eignet sich fast jedes Jahr.
In gewisser Weise war 2023 an den Finanzmärkten aber das Gegenteil des Jahres 2022. 2022 wurden die Börsen durch ein einziges Ereignis weitgehend dominiert: Die dies und jenseits des Atlantiks unerwartet und stark steigende Inflation. Die Teuerung zwang die Notenbanken zu massiven Zinserhöhungen, was sich einheitlich negativ auf die Preise der allermeisten Anlagen auswirkte. 2022 war an den Börsen damit ein Ausnahmejahr.
2023 war die Rückkehr zum Normalfall: Eine Vielzahl positiver und negativer Entwicklungen führte zu vielfältigen und divergenten Preisbewegungen bei Aktien, Obligationen und anderen Kapitalanlagen. Bei insgesamt positiver Tendenz.
Die Grautöne fingen schon bei der Inflationsentwicklung an. Die geldpolitische Straffung, unterstützt durch nachlassende Energie- und Rohstoffpreise, dämpften den Preisdruck markant. Das reduzierte zunächst die Angst vor weiteren Zinserhöhungen und war den Aktien- und Obligationenmärkten förderlich.
Doch die Teuerungsraten liegen in vielen Ländern nach wie vor deutlich über den Zielwerten. Auch ist unklar, ob die Stabilisierung an der Preisfront von Dauer ist; oder ob – wie in den 70er Jahren – eine zweite Welle zu befürchten ist. Genährt wird diese Befürchtung nicht zuletzt durch nach wie vor hohe Budgetdefizite, durch die enorme und steigende Schuldenlast auf wichtigen Staaten. Viele Akteure fürchten deshalb nach wie vor den politischen Druck auf die Zentralbanken, das Ziel der Preisstabilität der Staatsschuldenfinanzierung unterzuordnen.
Die Unsicherheit spiegelte sich in beachtlichen Schwankungen der langfristigen Zinsen, insbesondere im Dollar- und im Euroraum. Im Gegensatz dazu blieben die Franken-Sätze auf deutlich tieferem Niveau verhältnismässig stabil. Dies ist vor allem auf die im internationalen Vergleich moderate Preisentwicklung, letztlich auf eine glaubwürdig an Preisstabilität orientierte Politik der Schweizerischen Nationalbank zurückzuführen.
Grautöne zeigte auch die Konjunkturentwicklung. Zwar war blieb das globale Wirtschaftswachstum verhalten. Der aufgrund der Zinssteigerungen befürchtete Einbruch blieb jedoch weitgehend aus, insbesondere in den USA. In China gewannen die Wirtschaftsaktivitäten zunächst gar an Schwung, nachdem die Eindämmungsmassnahmen gegen das Coronavirus im Dezember 2022 vollständig aufgehoben worden waren. Dann litt die aufstrebende Volkswirtschaft zunehmend unter einer ernsthaften Immobilienkrise. Unterschiedlich war die Entwicklung in Europa. Negativ fiel vor allem Deutschland auf, das nicht nur durch den Ukrainekrieg, sondern vor allem durch eine wirtschaftsfeindliche Politik stark belastet wird.
Entsprechend uneinheitlich war das Bild an den Aktienmärkten. Die starke Entwicklung der kapitalisierungsgewichteten Weltindizes täuscht leicht darüber hinweg, dass die Avancen zu grossen Teilen auf ganz wenige „Mega-Firmen“ wie Nvidia, Meta Platforms (Facebook), Alphabet (Google), Amazon oder Microsoft beruhten. Der wahrscheinlich wichtigste treibende Faktor für die massiven Wertsteigerungen dieser Unternehmen waren Fortschritte im Bereich der künstlichen Intelligenz, die namentlich mit Chat GTP für ein breites Publikum plötzlich sichtbar wurden.
Diesen Kurssprüngen stand namentlich in China eine negative Marktentwicklung gegenüber. Auch viele Titel in Europa und den USA entwickelten sich aufgrund von Konjunktursorgen und schwacher Dynamik im verarbeitenden Gewerbe schwach. Zahlreiche Schweizer Firmen sind als Zulieferer von der Rezession im nördlichen Nachbarland betroffen. Zudem spielte der starke Franken beim unterdurchschnittlichen Abschneiden des inländischen Aktienmarktes eine Rolle. Allerdings widerspiegelt die Aufwertung unserer Währung die Inflationsdifferenzen zu anderen Währungsräumen und ist damit primär ein nominales Phänomen.
Im Finanzsektor profitierten die Banken von wieder steigenden Margen im Zinsgeschäft. Doch Vorfälle wie der überraschende Kollaps der amerikanischen Silicon Valley Bank oder der Untergang der Crédit Suisse schürten Ängste, dass auch andere Finanzinstitute weniger solide dastehen könnten, als die ausgewiesenen Eigenmittel oder die durch Regulatoren durchgeführten Stresstests implizieren. Ein buntes Bild auch hier.
2023 war an den Finanzmärkten ein typisch durchmischtes Jahr. Mit insgesamt typisch positiver Tendenz. Für 2024 prognostiziert der Partisan wie immer: Die Finanzmärkte werden sich nicht an die Prognosen der Experten halten. Doch die Chancen stehen gut, dass sich Optimismus ohne Leichtsinn, dass sich echte Diversifikation erneut bezahlt machen wird. Ignorieren Sie die Vorhersagen der Hellseher und Banken und bleiben Sie bei Ihrer durchdachten, langfristigen Strategie.