Wann immer Börsenkurse stark und scheinbar unerklärbar steigen, glauben zahlreiche Finanzexperten eine Spekulationsblase zu erkennen. Sie liegen meistens falsch.
„Wenn niemand eine Spekulationsblase sehen will, wird es besonders gefährlich“, warnt die NZZ mit Bezug auf aktuelle Höchststände bei Gold-, Bitcoin- und gewissen Aktienpreisen. Als ob die Experten der weltgrössten Bank und viele andere Deuter „niemand“ wären.
Wann immer Börsenkurse stark und scheinbar unerklärbar steigen, glauben zahlreiche Finanzexperten massiv überhöhte Preise, irrationale Spekulation, gefährliche Blasen, eine moderne Tulpenmanie zu erkennen. Damit liegen sie meistens falsch.
Klar, wer prophezeit, der nächste Crash sei nur eine Frage der Zeit, bekommt immer recht. Früher oder später. Und oft nicht aus den vorgebrachten Gründen. So kam der 2017 in der NZZ angekündigte Einbruch erst 2020, aus einem unvorhergesehenen Grund: Corona. Kommt dazu, dass der schweizerische Aktienindex (SPI) wie viele andere Märkte auch im absoluten Pandemie-Tief noch über ihrem Niveau zum Zeitpunkt der NZZ-Crash-Prognose lagen. Blasen-Diagnosen und Crash-Prognosen bringen dem Anleger vielleicht schlaflose Nächte, aber keine sinnvollen Entscheidungsgrundlagen. Nervenkitzel ohne finanziellen Wert.
Stark steigende Börsenkurse allein sind kein Indiz für eine spekulative Blase. Und auch wenn sich Analysten die Kursavancen nicht rational erklären können, heisst das noch lange nicht, dass die Preise „irrational“ sein müssen. Finanzmärkte tendieren dazu, das gesammelte Wissen aller Marktteilnehmer zu reflektieren. Dies umfasst auch jenen grossen Teil der Informationen, der über Millionen von Individuen verstreut, den Prognostikern nicht zugänglich, geschweige denn bewusst ist. Auch unerklärbare Kursavancen können durchaus fundamental begründet sein.
Was wirklich eine spekulative Blase ist, lässt sich – wenn überhaupt – erst im Nachhinein mit einiger Sicherheit bestimmen. Wer die Prognosen der letzten Jahrzehnte verfolgte, muss konstatieren: Die Anzahl der diagnostizierten Blasen überstieg die Anzahl der geplatzten Blasen um ein Vielfaches. Die meisten der spektakulären Crash-Ansagen erwiesen sich als spektakuläre Fehlprognosen. Und selbst bei den im Rückblick eindeutigen Fällen, wie etwa den Exzessen im amerikanischen Häusermarkt zu Beginn des Jahrhunderts, war die Beurteilung in Echtzeit weniger klar.
Ernst zu nehmende Experten sind sich ihres sehr beschränkten Wissens bewusst. Sie drücken sich entsprechend vorsichtig aus und stehen den eigenen Prognosen mit gebührender Skepsis gegenüber. Dies kommt etwa in einer Diskussion zwischen zwei führenden Forschern im Bereich spekulativer Blasen deutlich zum Ausdruck.
Wer seine Anlageentscheide an den regelmässig wiederkehrenden Crash-Prognosen ausrichtet, verpasst den grössten Teil der Kursgewinne. Vor grossen Einbrüchen ist er dennoch nicht geschützt, denn diese kommen meist gänzlich unerwartet, das letzte Mal mit Corona. Wer sein Geld längerfristig möglichst sicher und gewinnbringend anlegen, statt kurzfristig spekulieren will, verfolgt die immer gleiche, langweilige, bewährte Strategie: Echte Diversifikation.