Viele Anleger und Kunden verlassen sich aufgrund einer vermuteten oder tatsächlichen Staatsgarantie auf eine einzige Bank. Das ist riskant.
In die Zukunft sehen können wir nicht. Häufig entwickeln sich die Dinge ganz anders, oft erfreulicher als erwartet und vorausgesagt. Das dürfen wir hoffen. Doch blind vertrauen sollten wir darauf nicht. Wer seine Entscheide auf Hoffnung, statt auf einer nüchternen Betrachtung der Welt basiert, wird früher oder später hart auf dem Boden der Realität aufschlagen. Zum Beispiel wenn man gutgläubig in Finanzprodukte investiert, die erkleckliche Renditen fast ohne Risiko versprechen. Vorsicht und gesunde Skepsis ist auch geboten, wenn es um die Wahl unserer Bankverbindungen geht. Dieses Thema ist top aktuell.
Viele fühlen sich sicher, wenn sie ihre Wertschriftenkäufe und den gesamten Zahlungsverkehr über eine einzige Bank abwickeln. Etwa über die UBS oder eine Kantonalbank. Zu Recht? Die gefühlte Sicherheit gründet jedenfalls nicht auf einer besonders vertrauenserweckenden Geschäftsführung der grossen Banken in den letzten Jahrzehnten. Zahlreiche Institute gerieten in arge Schieflage und existieren nur noch dank staatlicher Hilfe. Noch lebhaft in Erinnerung sind die Fälle Crédit Suisse (2023) und UBS (2008). Auch zahlreiche Kantonalbanken nahmen Steuergelder in Anspruch: In Glarus (2008), in der Waadt (2001), im Wallis (2000), in Genf (2000), im Jura (1996), in Solothurn (1995), in Bern (1993). Die in Not geratene Kantonalbank Appenzell a.R. wurde 1996 von der UBS, die angeschlagene Volksbank 1993 durch die Kreditanstalt übernommen.
Auch die strenge Regulierung der Banken und die immer engmaschigere Überwachung ihrer Geschäftstätigkeit durch Aufsichtsbehörden kann nicht der Grund für die Unbeschwertheit vieler Bankkunden sein. Mit dem Ziel, eine Wiederholung der Bankenkrise von 1826 zu vermeiden, begann man in den USA bereits 1827, Banken zu regulieren. Seither wurden die Vorschriften weltweit nach jeder Bankenkrise verschärft. Dennoch gerieten immer wieder bedeutende Banken ins Wanken.
Auch in der Schweiz versucht man mit zunehmend komplexen Eigenmittel- und Liquiditätsvorschriften, mit mehr Kontrollen und noch mehr Kontrolleuren die Banken sicherer zu machen. 1976 beschäftigte die Eidgenössische Bankenkommission 13 Mitarbeiter. Die Nachfolgeorganisation FINMA startete 2009 mit 362 Leuten. 2023 waren es bereits 638. Nach dem Debakel der Crédit Suisse wollen die Behörden erneut mit noch mehr Personal, noch mehr Kontrollen und noch mehr Kompetenzen für mehr Sicherheit sorgen. Hoffen darf man immer. Doch darauf zu bauen, dass Politiker und Bürokraten den nächsten Unfall verhindern, würde der Jahrhunderte langen, Länder und Kontinente übergreifenden Erfahrung widersprechen.
Wenn es um grosse Banken geht, wurzelt unsere gefühlte Sicherheit fast ausschliesslich im Vertrauen auf eine vermutete oder tatsächliche Garantie des Staates. Ganz selbstverständlich gehen wir davon aus, dass Anleger und Gläubiger im Fall der Fälle durch den Steuerzahler schadlos gehalten werden. Bei den meisten Kantonalbanken garantiert dies der entsprechende Kanton ausdrücklich. Doch auch grössere private Banken wie die Raiffeisen oder die UBS betrachten wir als staatlich gesichert, weil uns dies der Staat durch sein Verhalten mehrfach signalisiert. Erstens übernimmt er Verantwortung durch die Regulierung. Wer mit dem Versprechen, Banken sicherer zu machen, ausufernde Vorschriften erlässt und Kontrollen verfügt, macht sich mitverantwortlich und moralisch haftbar, wenn sich die Regulierung als unwirksam erweist. Zweitens bekräftigt der Staat, dass er eine Bank nicht untergehen lassen will, wenn er sie als „systemrelevant“ erklärt. Und drittens hat er mit der tatsächlichen Rettung grosser Banken bewiesen, wie ernst es ihm ist.
Besonders deutlich hat er seine Entschlossenheit im Fall der Crédit Suisse gezeigt. Konnte die staatliche Unterstützung der UBS auf dem Höhepunkt der Finanzkrise 2008 aufgrund des labilen Zustand des weltweiten Bankensystems, der begründeten Furcht vor einer massiven Depression, der für die Schweizer Volkswirtschaft enormen Bedeutung der Bank noch als Ausnahmefall dargestellt werden, so waren die Vorzeichen 2023 ganz anders. Erstens war die Crédit Suisse zum Zeitpunkt des Scheiterns eine im weltweiten Vergleich verhältnismässig unbedeutende Bank. Auch die Schweizerische Volkswirtschaft hing wahrscheinlich weit weniger stark von diesem Institut ab, als 2008 von der UBS. Nicht nur auf Grund der im Vergleich zum Sozialprodukt deutlich geringeren Grösse, sondern vor allem, weil sich die Lage bei der CS seit Jahren gut erkennbar verschlechtert hatte. Anders als 2008 hatten Kunden und Gläubiger viel Zeit, sich auf einen immer wahrscheinlicheren Untergang vorzubereiten. Ein Grossteil der Gläubiger, Anleger und Unternehmen haben dies mit Sicherheit getan. Auch der Partisan hatte sein Exposure zur CS lange vor ihrem letzten Zucken auf ein Minimum reduziert. Und schliesslich hatte der Bund aufgrund der UBS-Krise einschlägige Gesetzte und international abgestützte Prozeduren geschaffen, die die Abwicklung einer Grossbank ermöglichen sollten.
Mit der Orchestrierung der Übernahme der CS durch die UBS unter Notrecht und Einsatz enormer Garantien, signalisierte der Bund unübersehbar, dass er eine grosse Bank selbst unter den günstigsten Bedingungen nicht untergehen lässt. Er demonstrierte, dass er zu Gunsten der Gläubiger und Kunden bereit ist, Steuermittel in fast unbegrenzter Höhe zu riskieren, und geltendes Recht in bedeutendem Umfang ausser Kraft zu setzen. Darauf gründet unsere gefühlte Sicherheit.
Doch wie verlässlich ist diese Sicherheit? Die für die Rettungsaktionen eingesetzten Beträge sind gewaltig und sie steigen. Bereits die Kantonalbanken brachten einige Kantone an den Rand der finanziellen Möglichkeiten. Für die Rettung der UBS 2008 sprach der Bund dann rund 60 Milliarden Franken. Zählt man die (grossen Teils ungesicherten) Liquiditätshilfen der Nationalbank und die Bundesgarantien zusammen, stand der Steuerzahler im Fall Crédit Suisse dann mit insgesamt 209 Milliarden Franken im Risiko. Zum Vergleich: 2023 betrugen die gesamten Bundesausgaben 81 Milliarden.
Die heutige UBS ist – gemessen an der Bilanzsumme – mehr als dreimal so gross wie die Crédit Suisse. Und sie will nach eigenem Bekunden weiter wachsen. Zudem ereignen sich Bankkrisen meist in wirtschaftlich schweren Zeiten, wenn auch noch Kredite und andere konjunktursensitive Bilanzpositionen im grossen Stil abgeschrieben werden müssen. Sich vorzustellen, dass ein nächster Unfall bei der UBS die Rettungsmöglichkeiten des Staates übersteigen könnte, braucht keine blühende Fantasie. Auch einige Kantonalbanken könnten die Mittel ihrer Kantone dereinst überfordern. Dass es zu einem derartigen Unglück niemals kommt, müssen wir als Steuerzahler hoffen. Als Bankkunden können wir uns nicht länger auf die rettende Hand des Staates verlassen. Im Gegenteil: Es ist möglich und plausibel, dass die immer umfassendere Regulierung und die immer eindeutigeren Staatsgarantien das Risiko eines ganz grossen Unfalls befördern, statt reduzieren. Diesen perversen Zusammenhang wollen wir in einem kommenden Beitrag näher beleuchten.
Wer sich auf eine einzige Bank verlässt, trägt ein hohes Risiko. Bei einem Bankrott sind nicht nur grosse Vermögensteile gefährdet, auch die Fähigkeit Rechnungen zu begleichen und Käufe zu tätigen, stehen auf dem Spiel. Aufwand und Kosten eine zweite, vielleicht dritte Bankverbindung zu eröffnen, halten sich dagegen in Grenzen. Entsprechend lohnt sich die Diversifikation. Zu beachten ist dabei, dass kleine Banken oft sicherer sind als grosse. Darauf haben wir schon vor einigen Jahren hingewiesen, heute gilt es noch mehr.