Der langweiligste Fonds der Welt fällt auf wie ein bunter Hund. Und er wirft ein helles Licht auf zentrale Aspekte erfolgreicher Vermögensverwaltung.
Der Corporate Leaders Trust ist grauer als eine Maus. Doch der langweiligste Fonds der Welt fällt durch seine extreme Passivität auf wie ein bunter Hund. 1935 investierte er zu gleichen Teilen in dreissig solide, amerikanische Aktien. Seither verharrt er in Untätigkeit. Weder hat er neue Aktien gekauft, noch aktiv die Gewichtungen angepasst. Die einzigen Änderungen in seinem Portfolio ergaben sich ohne das Zutun eines Fondsmanagers durch Fusionen, Spin-offs und Konkurse.
Das Resultat der konsequenten Buy and Hold-Strategie ist beachtenswert. Und es wirft ein helles Licht auf zwei zentrale Aspekte der Vermögensverwaltung: Kosten und Diversifikation.
Passivität zahlt sich aus
85 Jahre Müssiggang ist ein Luxus, den sich kein anderer Vermögensverwalter leistet. Das Nichtstun zahlte sich aus. Der Corporate Leaders Trust rentierte gemäss Morningstar von 1970 (weiter zurück sind offenbar keine Daten verfügbar) bis 2016 besser als 16 der 17 aktiv verwalteten Konkurrenten. Die letzten vier Jahre hat er sich erneut gut geschlagen. Der Hauptgrund liegt auf der Hand: Im Unterschied zu Aktivismus generiert Geduld weder einen hohen Verwaltungsaufwand noch Transaktionskosten. Das spiegelt sich in der Rendite und ist in der Finanzmarktforschung längst bekannt.
Überraschender ist, dass der Corporate Leaders Trust auch besser als der amerikanische Bluechip-Index S&P 500 (total return) abschneidet. Über so lange Zeit spielt Glück und Zufall selten die entscheidende Rolle.
Ein plausiblerer Grund ist, dass der S&P 500 im Gegensatz zum Corporate Leaders Trust keine Buy-and-Hold-Strategie abbildet. Aktienindices nehmen aufgrund definierter Kriterien periodisch neue Titel auf, während andere hinausfallen. Der so generierte Umsatz kann die Rendite merklich belasten. Weil sich bei der Aktienselektion ein Grossteil der (institutionellen) Investoren an den als Benchmark verwendeten Indices orientiert, erfahren Titel, die voraussichtlich in einen wichtigen Index aufgenommen werden, eine stark erhöhte Nachfrage. Das erhöht den Preis. Das Gegenteil geschieht mit Valoren, welche die relevanten Kriterien nicht länger erfüllen. Somit gelangen Aktien tendenziell zu einem überhöhten Preis in den Index und verlassen ihn zu einem tiefen Kurs. Indizes und die sie replizierenden Portfolios neigen dazu, teuer zu kaufen und billig zu verkaufen.
Der entsprechende Renditeverlust wurde für den S&P 500 Index auf 0.25% p.a., für den breiteren Russell 2000 auf 0.57% geschätzt. Möglicherweise ist die Einbusse noch höher, weil die Schätzungen methodisch nicht den ganzen Effekt erfassen. Unsichtbare Kosten in dieser Grössenordnung könnten ein gewichtiges, kaum beachtetes Argument gegen die populären ETFs und andere indexnahe Anlagestrategien sein.
Schattenseite
Die extreme Passivität hat allerdings auch eine Schattenseite. Mit dreissig Titeln aus allen damals wichtigen Sektoren erzielte der Corporate Leaders Trust 1935 eine vernünftige Diversifikation innerhalb des amerikanischen Aktienmarktes. Aus drei Gründen hat die Diversität des Portfolios seither kontinuierlich abgenommen. Erstens sind durch Fusionen und Konkurs einige der Firmen verschwunden. Heute umfasst der Fonds nur noch 22 Titel. Zweitens haben sich manche Unternehmen besser als andere entwickelt, was grosse Verschiebungen in den Gewichten bewirkte. Allein Union Pacific Corp. beansprucht heute mehr als 40% des Fondsvermögens. Die grössten fünf Aktien repräsentieren gar 75% des Portfolios. Drittens sind neue, wichtige Sektoren wie die IT und Tech-Branche nicht im Fonds vertreten, was dem Prinzip der Risikostreuung widerspricht. Der Fonds ist schlecht diversifiziert und deshalb riskant. Bis anhin hatten die Anleger Glück. Doch früher oder später wird sich das steigende Risiko in entsprechenden Verlusten materialisieren. Übertriebene Passivität ist auf Dauer keine gute Idee.
Weit vom Optimum
Langfristig erfolgreiche Vermögensverwaltung ist letztlich immer ein Kompromiss. Einseitige Kostenminimierung ist zwangsläufig mit steigenden Risiken verbunden. Eine aktivistische Portfoliooptimierung kostet und reduziert die Rendite. Es geht um den bestmöglichen Umgang mit dem Zielkonflikten.
In der Praxis ist klar, dass die meisten Vermögensverwalter weit vom Optimum entfernt sind. Sie legen ein zu starkes Gewicht auf aktivistische Portfoliosteuerung und achten viel zu wenig auf die resultierenden Kosten. Anders lässt sich die im Vergleich zu Indexprodukten systematisch ungenügende Rendite der überwiegenden Mehrheit der Fonds kaum erklären. Der Grund ist einfach: Langeweile lässt sich den meisten Anlegern schwerer verkaufen als der Schein ausgeklügelter Optimierung oder die Illusion des raschen Gewinns.