Immer mehr Vermögensverwalter wollen mit nachhaltigen Anlageprodukten gleichzeitig Beiträge zu unzähligen ökologischen, sozialen und ethischen Zielen leisten. Das ist grossspurig, nicht nachhaltig.
Die Banken haben die goldspuckende, klimaschützende Wollmilchsau erfunden. Zu diesem Schluss muss kommen, wer etwa die Botschaften von UBS oder Crédit Suisse liest.
Mit Pauken und Trompeten sind jetzt auch die grössten Institute ganz gross in das boomende Geschäft mit nachhaltigen Anlagen eingestiegen. Sie versprechen, einen positiven Einfluss auf so unterschiedliche Dinge wie Menschen- und Aktionärsrechte, Demographie, Fiskalpolitik, Demokratie, Bildungssystem, Management-Entlohnung und Klimaschutz auszuüben. Natürlich bei vergleichbaren, sogar besseren Renditen.
Das klingt wundervoll. Aber kann eine Geldanlage all diesen Zielen wirklich gerecht werden? Grundsätzliche Vorbehalte sind angebracht.
Eine Frage drängt sich sofort auf: Warum werden so verheissungsvolle Produkte eigentlich erst jetzt offeriert? Die meisten Investoren hätten die noblen Ziele schon vor Jahren unterstützt. Gegen attraktive Renditen hätte niemand rebelliert. Geht es tatsächlich nur um das Wohl der Anleger und der Welt? Happige Kosten für die Kunden – in einigen Fonds mehr als 2% p.a. – lassen auch andere Motive vermuten.
Schon der Begriff „nachhaltig“ verdient Skepsis. Jeder ist dafür. Doch wird es konkret, kommen zahllose Kontroversen hervor. Ein Beispiel: Ist der pauschale Ausschluss von Waffenproduzenten wirklich nachhaltig? Im Baltikum, wo man sich durch Russland bedroht fühlt, empfände mancher eine Erhöhung der Verteidigungsbereitschaft Europas als nachhaltiger. Was nachhaltig ist und was nicht, hängt von individuellen Präferenzen, der Weltanschauung und der Interpretation komplexer Zusammenhänge ab. Produkte mit bunten ökologischen und gesellschaftlichen Ansinnen können den divergierenden Vorstellungen der Anleger niemals gerecht werden.
Es ist kein Zufall, dass sich viele Anbieter nachhaltiger Anlagen gerne auf die Formulierung unumstrittener Wünsche wie Armutsbekämpfung oder Biodiversität beschränken. Denn eine offensive Kommunikation der genauen Selektionskriterien brächte innere Widersprüche, Konflikte zwischen den vielfältigen Zielen und Kontroversen um geeignete Massnahmen ans Licht. Viele Kunden müssten erkennen, dass die angewandten Kriterien und ihre Gewichtung nicht ihren persönlichen Vorstellungen von Nachhaltigkeit entsprechen.
Ein als „nachhaltig“ deklarierter Fonds hält unter anderem Obligationen der Deutschen Bank. Welche Ziele werden damit verfolgt? Gemäss Wikipedia unterläuft dieses Institut übliche ESG-Ziele in Serie, unter anderem „als einer der weltweit größten Investoren in Kohle und andere klimaschädliche Aktivitäten“. Zudem stellt die Deutsche aufgrund ihrer prekären Geschäftslage und der faktischen Staatsgarantie ein grosses Risiko für den Fiskus dar. Zweifellos gibt es Gründe, das Investment dennoch als nachhaltig zu klassifizieren. Aber sehen das die Anleger gleich wie der Fondsmanager?
Dass sich Grossbanken jetzt berufen fühlen, im Namen der Nachhaltigkeit „aktiven Einfluss“ auf Governance und Geschäftspolitik Dritter auszuüben, scheint angesichts ihres Leistungsausweises und der wiederkehrenden Skandale im eigenen Haus auch eher kurios. Zudem ist fraglich, ob sie das Know-how und die nötigen Informationen dazu besitzen.
Ist nachhaltiges Anlegen also nur eine Illusion? Nein. Doch es erfordert Demut und Bescheidenheit. Der Boykott sämtlicher „böser“ Firmen mittels Ausschlusskriterien bleibt weitgehend wirkungslos. Trittbrettfahrer springen freudig in die Lücke. Wer mit ESG-Faktoren die ganze Welt zum Guten bekehren will, wird an komplexen Zusammenhängen und Selbstüberschätzung scheitern. Aussichtsreicher ist es, einen Teil des Vermögens auf einen eng umrissenen Zweck auszurichten. Wer etwa gezielt Unternehmen finanziert, die ihre Innovationskraft auf die Steigerung der Energieeffizienz verwenden, wer bewusst auf Krebsforschung fokussiert, weil ihm dieses Thema besonders am Herzen liegt, hat gute Chancen, eine nachhaltige Wirkung zu erzielen.