Die UBS präsentierte hervorragende Geschäftszahlen. Dann geschah das Unfassbare.
Am 31.Januar, vor Börseneröffnung, publizierte die UBS ihr Jahresergebnis. Die Bank „schreibt so viel Gewinn wie nie mehr seit vor der Finanzkrise“, berichtete kurz darauf die NZZ. Und ergänzte: „Die Gewinnzahlen haben auch die optimistischen Erwartungen der Analytiker übertroffen“. Für den Tagesanzeiger und das Wall Street Journal waren die Zahlen „überraschend gut“. Grosse Banken wie Goldman Sachs empfahlen UBS Aktien sofort zum Kauf. Kritische Stimmen waren nicht zu vernehmen. Das Gros der Börsianer stellte sich nur noch eine Frage: Wieviel höher wird der Titel eröffnen?
Dann geschah das Unfassbare. Die UBS Aktie fiel nach Börseneröffnung um bis zu 4%. Anleger wie Analysten kratzten sich ungläubig am Kopf, verstanden die Welt nicht mehr. Wieder einmal, muss man sagen. Denn solche verblüffenden Marktreaktionen sind alles andere als ungewöhnlich an den Börsen.
Kursbewegungen widersprechen oft jeder Intuition. Und trotzdem lassen sie sich erklären: Aktienpreise reagieren nicht auf gute oder schlechte Unternehmenszahlen, zumindest nicht direkt. Aktienpreise reagieren auf Kaufs- und Verkaufsaufträge der Marktteilnehmer. Investoren kaufen eine bestimmte Aktie typischerweise, weil sie optimistische Erwartungen an die künftigen Gewinne relativ zum aktuellen Kaufpreis haben. Sind diese Erwartungen sehr hoch, werden sie schon enttäuscht, wenn die Zahlen nur erfreulich statt sehr erfreulich sind. Und enttäuschte Aktionäre bauen ihre Positionen eher ab als auf.
Doch weshalb fiel der Kurs, wenn die optimistischen Erwartungen der Analytiker nicht enttäuscht, sondern übertroffen wurden? Es ist ein verbreiteter Irrtum, die öffentlich verfügbaren Prognosen mit den Erwartungen der Marktteilnehmer gleichzusetzen. Analysten publizieren ihre Prognosen, das ist ihr Beruf. Doch die meisten Investoren und Spekulanten tragen ihre Erwartungen nicht auf der Zunge. Besonders dann nicht, wenn sie glauben, über bessere Informationen als die Analysten zu verfügen. Dazu kommt, dass sich Analysten häufig wie Herdentiere verhalten. Macht das Leittier eine Prognose, hecheln andere hinterher. Das ist verständlich und rational. Wer mit der Herde falsch liegt, hat nicht viel zu befürchten. Ein Analyst, der eine Aktie entgegen dem Mainstream zum Verkauf empfiehlt, kann leicht den Job verlieren, wenn er sich irrt.
Gute Analysten legen ihrer Gewinnprognose eine fundierte Analyse des Unternehmens zugrunde. Diese hat einen Wert. Sie versorgt Investoren und nicht selten auch das Management mit erhöhter Transparenz, was die Unsicherheit, die Risiken reduziert. Doch für sinnvolle Prognosen des Aktienpreises reicht das nicht. Brauchbare Preisvorhersagen bedürfen einer weiteren Fähigkeit, die den meisten Analysten fehlt: Die Fähigkeit, in die Köpfe der anderen Marktteilnehmer zu blicken. Nur wer weiss, was andere denken und erwarten, kann abschätzen, wie sie auf bestimmte Nachrichten reagieren.
Doch das widerspricht unserer Intuition und geht nicht in unsere Köpfe. Schon bald werden wir uns wieder fassungslos über unerklärliche Preisbewegungen wundern.