Politiker haben das Perpetuum mobile erfunden: Immer höhere Staatsausgaben finanzieren sich angeblich selbst. Bis das Perpetuum mobile kollabiert.
Nehmen wir an, das Perpetuum mobile funktioniere: Der Staat könne sich beliebig verschulden, grosse Infrastrukturprojekte, riesige Stimulierungspakete, die Entwicklung neuer Technologien und damit künftiges Wachstum finanzieren; und dank negativer Zinsen auch noch an seinen Schulden verdienen.
Konstruktionsfehler
Statt Steuern zu erheben, könnte Vater Staat nicht nur gelegentliche Checks, sondern ein grosszügiges Grundeinkommen an die Bürger verteilen. Arbeiten würden die Menschen nur noch zur Selbstverwirklichung, nicht zum Lebensunterhalt. Kübelmänner und Spargelernter gäbe es dann natürlich keine mehr, dafür Kunstmaler und Helikopterpiloten im Überfluss. Die Migros hätte dann statt Spargeln, Spaghetti und Toilettenpapier Gemälde und Rundflüge im Angebot. Die reichen Bürger müssten hungern. Formuliert man die Logik überspitzt, erkennt man leicht: Das Perpetuum mobile funktioniert natürlich nicht.
Doch schon im Kleinen ist die Konstruktion recht zweifelhaft, die Zahnräder greifen nicht wie auf dem Plan präzise ineinander. So nützen etwa die in Bidens Stimulierungspaket enthaltenen $1.5 Milliarden für eine Brücke im Staat New York dem arbeitslosen Kellner nichts. Man kann ihn nicht husch husch zum Maurer oder Ingenieur umschulen. Oder die $169 Milliarden zugunsten der Schulen werden nach Schätzung des Congressional Budget Office erst 2022 bis 2028 ausgegeben, wenn die Krise längst vorüber ist.
Stimulierungsprogramme stimulieren regelmässig zur falschen Zeit am falschen Ort. Sie können Konjunkturzyklen leicht verstärken, statt sie zu glätten. Allzu ambionierte Programme bergen immer die Gefahr, das Gegenteil ihres Zwecks zu bewirken. Der Grund ist einfach: Die wirtschaftlichen Zusammenhänge sind zu vielschichtig und komplex, als dass die Planer all die direkten und indirekten Auswirkungen nur annähernd überblicken könnten. Das Wichtigste bleibt oft verborgen, wie Frédéric Bastiat in seinem berühmten Aufsatz „What Is Seen and What Is Not Seen“ wunderbar beschrieb.
Stillstand
Verlässlich steigen aber die Schulden mit jedem neuen Staatsprogramm, unter welchem Titel auch immer. Ganz gleich wie tief die Zinsen, wie bedeutend ein Staat: Kein Land, auch nicht die USA, kann sich beliebig verschulden. Zwar weiss niemand, wo die Grenze genau liegt. Doch die Grenze existiert.
Wachsen die Schulden dauerhaft stärker als die Wirtschaftskraft, beginnen erste Gläubiger zu fürchten, dass die künftigen Steuereinnahmen zur Schuldbegleichung nicht mehr reichen. Sie legen ihr Geld dann lieber in Werten wie Aktien oder Immobilien an. Der Staat muss höhere Zinsen bezahlen, damit er für seine Schulden noch genügend Käufer findet. Die zusätzliche Zinslast befeuert das Staatsdefizit, die Schulden wachsen schneller. Viele Gläubiger bekommen weiche Knie. Und plötzlich kann der Staat am Kapitalmarkt kein Geld mehr beschaffen, er wird zahlungsunfähig. Wie unerwartet rasch das Perpetuum mobile so zum Stillstand kommen kann, zeigte sich 2018 in Italien. Die Verzinsung italienischer Staatsanleihen schnellte innert Tagen um Prozente in die Höhe. Ein Windstoss in Form einer gewöhnlichen Regierungskrise hatte genügt, um viele Gläubiger des hochverschuldeteten Staates in Panik zu versetzen.
Als Geldgeber und faktischer Garant eingesprungen ist – einmal mehr – die europäische Zentralbank. Auch in den USA übernimmt die Notenbank immer grössere Teile der Staatsschulden. Aber selbst diese mächtigen, gelddruckenden Notaggregate haben Leistungsgrenzen. Kaum jemand bestreitet, dass Defizite nicht beliebig durch Geldschöpfung der Notenbanken finanziert werden können, ohne eine massive Inflation mit ihrer zersetzenden Wirkung auf Wirtschaft und Gesellschaft in Gang zu setzen. Spätestens dann kollabiert das Perpetuum mobile.
Hoffnung und Zeitgeist
Soweit muss es nicht kommen. Die Hoffnung, dass die Politik der Fehlentwicklung entgegentritt, lebt. Die Schweiz führte 2001 eine wirkungsvolle Schuldenbremse ein. Die Europäische Union kennt das Konzept der institutionalisierten Schuldenbeschränkung schon seit der Einführung des Euro. Bis anhin ist die Bremse namens Stabilitlätspakt allerdings so mangelhaft konstruiert, dass sie wenig bis keine Wirkung zeigt. Auch in den USA sind gewichtige warnende Stimmen nicht zu überhören.
Wirksame Schuldenbremsen und Sparprogramme bedeuten für Politiker eine Beschränkung ihrer Macht. Deshalb sträuben sie sich dagegen. Auch der herrschende Zeitgeist, der Glaube an die Fähigkeit der Politik, fast alles, die Konjunktur, das Wirtschaftswachstum, ja selbst Innovationen, die Welttemperatur und Pandemien nach Belieben steuern zu können, spricht nicht für eine rasche Selbstbeschränkung und Bescheidenheit. Nun, der Zeitgeist ist bekannt dafür, sich mit der Zeit zu ändern.
Doch vorläufig wachsen die Schuldenberge ungebremst weiter. Das untergräbt die wirtschaftliche und politische Stabilität. Währungs-, Banken- und Schuldenkrisen, Inflationsschübe, politische Spannungen und Turbulenzen an den Finanzmärkten werden wahrscheinlicher. Nichts ist gefährlicher als überschuldete Staaten.
Echte Diversifikation
Was bedeutet das für uns Anleger? Wir können nicht zuverlässig vorhersagen, ob, wie, wann und welche Teile eines instabilen Schuldengebäudes eines Tages zusammenbrechen oder ob die notwendige Sanierung noch rechtzeitig erfolgt. Wir wissen auch nicht genau, wie sich eine allfällige Erschütterung fortpflanzt und entwickelt. Trotzdem können wir uns als Anleger auf Turbulenzen vorbereiten: Mit Beteiligungen an soliden Unternehmen, die genügend Eigenkapital haben, um eine Krise durchzustehen und gestärkt aus ihr hervorzugehen. Mit Obligationen von Schuldnern, die nicht durch einen Windstoss umgeblasen werden. Mit Sachwerten wie Immobilien oder auch Edelmetallen, die bei hoher Inflation nicht wie Cash den ganzen Wert verlieren. Kurz: Mit echter Diversifikation.